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Interner Bereich, Filmwahl und mehr...
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Die Deutsche Akademie für Fernsehen – kurz DAFF – wurde im Dezember 2010 gegründet mit dem Ziel, den Kreativen in den unterschiedlichen Gewerken von der Entwicklung bis hin zur Herstellung von deutschen Fernsehprogrammen eine eigene Stimme zu verleihen. Wir verzeichnen derzeit knapp 800 Mitglieder.
Die DEUTSCHE AKADEMIE FÜR FERNSEHEN soll in der öffentlichen Diskussion über die Medien und ihre Inhalte zu einer Stimme der Fernsehschaffenden werden und das Bewusstsein für die kreativen und künstlerischen Leistungen derjenigen, die die Fernsehprogramme gestalten, fördern und stärken.
Zweck laut Satzung der DEUTSCHEN AKADEMIE FÜR FERNSEHEN ist die Entwicklung des deutschen Fernsehens als wesentlichen Bestandteil der deutschen Kultur sowie der deutschen Kulturwirtschaft zu fördern und deren Vielfalt zu erhalten, das Gespräch und den Austausch von Ideen und Erfahrungen zwischen den deutschen Fernsehschaffenden insbesondere auch zwischen freiberuflichen und in Sendern festangestellten anzuregen, zu stärken und zu pflegen, den Diskurs zu inhaltlichen und wirtschaftlichen Aspekten des deutschen Fernsehens zu führen.
Dazu werden öffentliche Veranstaltungen zu kulturellen, politischen und wirtschaftlichen Themen im audiovisuellen Bereich organisiert, Weiterbildungsveranstaltungen für im audiovisuellen Bereich tätige Personen unter Leitung von Mitgliedern des Vereins oder externen Experten durchgeführt, und die Verleihung einer Fernsehauszeichnung, gegebenenfalls mit noch zu bestimmenden Partnern, vorbereitet und durchgeführt.
Die Akademie hat ihren Sitz in Berlin und München. Sie wird allen kreativen Fernsehschaffenden mit langjähriger Erfahrung und besonderer Leistung bei der Herstellung deutscher Fernsehwerke aus den Bereichen Fiction, Non-Fiction, Unterhaltung und Journalismus offen stehen.
Ab 2024 ist der normale Beitragssatz € 180, in Ausnahmefällen ist er reduziert.
Bitte beachten Sie unsere angepassten Mitgliedsbeiträge ab Januar 2024.
Diese entnehmen Sie der aktualisierten Beitragssatzung unter https://daff.tv/wp-content/uploads/2023/09/Beitragsanpassung_Anlage3_MVDAfF_2023_final.pdf
Bankverbindung:
Empfänger: Deutsche Akademie für Fernsehen e.V.
IBAN: DE09 3705 0299 0000372 343
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Heiko Hilker, 02.03.2024
Ich möchte auf drei Dinge eingehen. Zum einen, ob man Medienstaatsverträge so einfach kündigen kann und was es bedeutet, wenn sie gekündigt werden. Zum zweiten, wie hat die AfD im Parlament agiert und welche Folgen das hat. Zum dritten, wie man in den Gremien des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, des privaten Rundfunks, also der Landesmedienanstalten, aber auch des Films, agieren kann. Zum Schluss gebe ich einen kurzen Rückblick mit einem Ausblick, was man über Parlamentspolitik und Gremienpolitik hinaus tun kann.
Lassen Sie mich zum ersten Punkt kommen. Die Debatte über die Kündigung aller Medienstaatsverträge scheint neu und aktuell zu sein. Doch sie erscheint deshalb neu, weil sich nur wenige mit der Medienpolitik der AfD beschäftigen. Es war im Jahr 2016, da stellte die AfD in zehn Landtagen einen weitgehend gleich formulierten Antrag. In diesem ging es darum, dass die jeweilige Landesregierung alle Medienstaatsverträge kündigen solle. Dasselbe wiederholte die AfD, dann sechs Jahre später im Jahr 2022. Man kann über Björn Höcke und dessen medienpolitische Positionen diskutieren, die dieser im Herbst 2023 dargelegt hat.[1] Doch daran ist nichts neu. Die Partei hat sich schon lange zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk positioniert und nur wenige Veränderungen vorgenommen
Beleg 1: AfD Bundestagswahlprogramm 2017 Medien
Beleg 2: AfD Bundestagswahlprogramm 2021 Medien
Beleg 3 AfD Bundestagswahlprogramm 2021 Film
Die erste Frage ist, ob man Medienstaatsverträge als Ministerpräsident so einfach kündigen kann. Ja, das kann ein Ministerpräsident. Es ist einfacher, Medienstaatsverträge zu kündigen, als Medienstaatsverträge zu schließen. Ein Ministerpräsident, egal ob der von Sachsen, Thüringen oder Brandenburg, kann einfach per Schreiben an den Vorsitzenden der Ministerpräsidentenkonferenz einen Medienstaatsvertrag kündigen. Das ist so geregelt. Dagegen spricht nichts.
So heißt es im Medienstaatsvertrag in § 116 Absatz 1:
„Dieser Staatsvertrag gilt für unbestimmte Zeit. Der Staatsvertrag kann von jedem der vertragschließenden Länder zum Schluss des Kalenderjahres mit einer Frist von einem Jahr gekündigt werden. Die Kündigung kann erstmals zum 31. Dezember 2022 erfolgen. Wird der Staatsvertrag zu diesem Termin nicht gekündigt, kann die Kündigung mit gleicher Frist jeweils zu einem zwei Jahre späteren Termin erfolgen. Die Kündigung ist gegenüber der oder dem Vorsitzenden der Konferenz der Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder schriftlich zu erklären. Kündigt ein Land diesen Staatsvertrag, kann es zugleich den Rundfunkbeitragsstaatsvertrag und den Rundfunkfinanzierungsstaatsvertrages zum gleichen Zeitpunkt kündigen; jedes andere Land kann daraufhin innerhalb von sechs Monaten nach Eingang der Kündigungserklärung dementsprechend ebenfalls zum gleichen Zeitpunkt kündigen. Zwischen den übrigen Ländern bleiben diese Staatsverträge in Kraft.“[2]
Dagegen kann auch ein Parlament nicht intervenieren. Ein Parlament könnte den Ministerpräsidenten dann nur auffordern, einen neuen Staatsvertrag auszuhandeln. Wenn man nicht möchte, dass ein Ministerpräsident Staatsverträge einfach und ohne Zustimmung des Parlaments kündigen kann, dann muss man das in der Landesverfassung verankern. Man müsste dann in die Verfassung schreiben, dass ein Ministerpräsident Staatsverträge nur kündigen kann, wenn er dazu einen Auftrag des Parlaments erhalten hat. Um Landesverfassungen zu ändern, braucht man allerdings eine Zweidrittelmehrheit im Parlament. Wenn man in Sachsen, Thüringen oder Brandenburg dies umsetzen möchte, steht man unter Zeitdruck. Im den drei Ländern sind im September Landtagswahlen. Und so hätte man nur noch maximal fünf Monate für eine Verfassungsänderung Zeit. Derzeit zeichnet sich dies jedoch nicht ab.
Welche Staatsverträge würde ein Ministerpräsident kündigen, wenn er alle Medienstaatsverträge kündigt? Dazu gehören neben dem Medienstaatsvertrag auch der ARD-Staatsvertrag, der ZDF-Staatsvertrag, der Deutschlandradio-Staatsvertrag sowie der Rundfunkfinanzierungs- und der Rundfunkbeitragsstaatsvertrag. In Thüringen oder Sachsen würde man dann noch den MDR-Staatsvertrag kündigen, in Brandenburg den rbb-Staatsvertrag.
Was würde passieren, wenn ein Ministerpräsident alle Medienstaatsverträge kündigt? In seinem Bundesland würde es innerhalb der Kündigungsfrist, die beim Medienstaatsvertrag wie auch beim MDR-Staatsvertrag bei zwei Jahren liegt, keinen öffentlich-rechtlichen Rundfunk mehr geben. Zumindest würden dessen Programme nicht mehr terrestrisch, also über Antenne, zu empfangen sein. (Natürlich kann man die Programme weiter über Satellit empfangen.)
Der MDR würde dann auch keine Beitragsgelder mehr aus Thüringen erhalten, das sind immerhin ca. 150 Mio. Euro. Außerdem würden seine Werbeeinnahmen sinken.
Eine Kündigung des Medienstaatsvertrages trifft jedoch nicht nur den öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Der Medienstaatsvertrag ist auch die Rechtsgrundlage für den privaten Rundfunk, also Radio und Fernsehen, also für RTL, Sat.1, Pro7, die landesweiten Radiosender sowie die lokalen Fernsehanbieter. Auch die Telemedienanbieter wären ohne Rechtsgrundlage. Zudem könnte deren bisherige Aufsicht, die Thüringer Landesmedienanstalt nicht mehr ihren Aufgaben nachgehen. Diese wird nämlich aus dem Rundfunkbeitrag mitfinanziert. Und der Rundfunkbeitrag soll nicht mehr erhoben werden.
Doch welche Vorstellung hat die AfD? Welche Alternative bietet sie an? Was soll denn dann dafür kommen? Heißt es, dass es keinen öffentlich-rechtlichen Rundfunk mehr gibt? Ganz so ist es nicht. Die AfD hat dazu Vorstellungen. Sie finden sich im Bundestagswahlprogramm von 2021: „Am Ende soll ein stark reduzierter Anbieter stehen, der ca. ein Zehntel des bisherigen Umfangs haben soll. Dieser „Grundfunk“ hat nur die Aufgabe, die Bürger flächendeckend mit neutralen Inhalten aus den Sparten Information, Kultur und Bildung zu versorgen. Wichtig bleiben regionale Inhalte, ein schlanker Heimatfunk als Schaufenster der Region. Zwangsbeiträge und Werbung sollen entfallen. Die Finanzierung erfolgt durch eine Abgabe, die insbesondere Technologiekonzerne, die audiovisuelle Inhalte verbreiten, sowie Streamingdienste zu leisten haben.“[3]
Es gibt also klare Aussagen dazu, welche inhaltliche Aufstellung der öffentlich-rechtliche Rundfunk haben soll und wie er zu finanzieren ist. Doch was bedeutet es, wenn der Grundfunk nur noch 10 Prozent des bisherigen Umfangs haben soll? Reichen also zwei Fernsehsender und acht Radioprogramme bundesweit aus? Sollen diese mit 10 Prozent der bisherigen Beitragseinnahmen finanziert werden? Derzeit werden mit den Rundfunkbeiträgen jährlich ca. 8,5 Milliarden Euro eingenommen. Sollen die Sender dann insgesamt nur noch über ca. 850 Mio. Euro verfügen? Das ist ungefähr die Summe, die allein die ARD jährlich für Aufträge an Produzenten aufwendet.[4] Das ZDF liegt bei ca. 700 Millionen Euro.
Wenn das Land Thüringen aus dem MDR ausscheidet und das Land einen eigenen öffentlich-rechtlichen Sender gründet, dann hätte man dafür ca. 15 Millionen Euro zur Verfügung. (Schließlich soll ja der Aufwand auf ein Zehntel reduziert werden.) Unabhängig davon, ob man die amerikanischen Unternehmen zu einer solchen Abgabe zwingen kann: Es ist fraglich, ob man mit dieser Summe ein gutes Radioprogramm und dazu noch ein einfaches Fernsehprogramm machen kann. Und so wird klar: das Konzept der AfD würde nicht einmal einen „Grundfunk“ ermöglichen.
Lassen Sie mich zum zweiten Punkt kommen, zum Agieren der AfD im Parlament. Die AfD ist seit 2014 in Landtagen vertreten. Damals zog sie erstmals in Thüringen, Sachsen und Brandenburg ein. So kann man nachvollziehen, wie die AfD in bestimmten medienpolitischen, aber auch filmpolitischen Fragen agierte. Ich möchte da zwei Beispiele bringen.
Das erste Beispiel ist die Debatte um Charlie Hübners Film „Wildes Herz“. Diese fand vor allen Dingen 2018/2019 statt. Die Filmförderung Schleswig-Holstein unterstützte die Finanzierung des Films. Das erfuhr die Abgeordnete Doris Fürstin von Sayn-Wittgenstein. Sie stellte daraufhin eine Kleine Anfrage im Schleswig-Holsteinschen Landtag. Sie verwies darauf, dass der Film von der Filmförderung Schleswig-Holstein/Hamburg mitfinanziert und vom MDR koproduziert wurde und fragte dann nach welchen Entscheidungskriterien die Förderung des Films „Wildes Herz“ erfolgte. Sie fragte: „War der Filmförderung Hamburg/Schleswig-Holstein und dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk MDR bekannt, dass die Band […] vom Verfassungsschutz beobachtet wird, zu Gewalt gegen Polizisten aufruft und Front gegen eine demokratische Partei macht.“[5]
Wozu dienen solche Anfragen? Sie setzen eine Ministerialverwaltung, die die Fragen beantworten muss und die sich vielleicht überlegt, in Zukunft stärker auf die Filmförderung zu achten, unter Druck. Sie setzen eine Filmförderung unter Druck, die für die Beantwortung der Fragen zuarbeiten muss.
Aber es blieb nicht bei dieser einen Frage in einem Landtag. Es folgten weitere Abgeordnete in anderen Parlamenten. In Mecklenburg-Vorpommern geriet die dortige Landesmedienanstalt in den Fokus, da sie den Film mit gefördert hatte. Der Abgeordnete Thomas de Jesus Fernandes fragte nach: „Wie beurteilt die Landesregierung die Förderung des Films „Wildes Herz“. Und er wollte wissen: „Wie steht die Landesregierung zu folgenden Textpassagen:
‚Deutschland verrecke‘, ‚Deutschland ist scheiße, Deutschland ist Dreck‘,
‚Wir stellen unseren eigenen Trupp zusammen/Und schicken den Mob dann auf euch rauf/Die Bullenhelme – sie sollen fliegen/Eure Knüppel kriegt ihr in die Fresse rein/Und danach schicken wir euch nach Bayern/Denn die Ostsee soll frei von Bullen sein.‘, ‚Punk heißt gegen’s Vaterland, das ist doch allen klar/Deutschland verrecke, das wäre wunderbar!/Heute wird geteilt, was das Zeug hält/Deutschland ist scheiße, Deutschland ist Dreck!/Gib mir ein ‘like’ gegen Deutschland/Günther ist scheiße, Günther ist Dreck!‘?“[6]
Und auch dabei blieb es nicht. Denn der Film wurde nicht nur von einer Filmförderung und einer Landesmedienanstalt gefördert, sondern auch in den SchulKinoWochen gezeigt. So stellte der Landtagsabgeordnete Joachim Paul in Rheinland-Pfalz immerhin sieben Fragen, warum „Wildes Herz“ während der SchulKinoWochen gezeigt wurde und ob während der SchulKinoWochen „auch Filme gezeigt [worden sind], die sich kritisch mit dem Thema Linksextremismus oder Migrantengewalt auseinandersetzen?“ Soweit zum Film von Charlie Hübner.
Als zweites Beispiel möchte auf die AfD-Reaktionen zum Film „Und morgen die ganze Welt“ von Julia von Heinz eingehen. Die AfD-Bundestagsfraktion erstellte dazu einen ausführlichen Fragenkatalog. Sie hatte zehn Fragen und weitere 18 Unterfragen, um u.a. in Erfahrung zu bringen:
„Hat die Bundesregierung Kenntnis davon, aufgrund welcher Kriteren sich der Deutsche Film- und Förderfond für eine Förderung des Antifa-Films „Und morgen die ganze Welt“ entschlossen hat?
Hat die Bundesregierung Kenntnis davon, aufgrund welcher Kriterien sich die Filmförderanstalt FFA für eine Förderung des Antifa-Films „Und morgen die ganze Welt“ entschlossen hat?
So zieht sich das durch den Fragenkatalog durch. Wieder ist es eine Anfrage, die zum ersten in die Ministerialverwaltung geht. Zum zweiten wird die Frage an die FFA weitergereicht, die FFA muss ihre Entscheidung begründen.
Die AfD ging bei dem Film noch weiter und nahm ihn in Bayern in der Haushaltsdebatte zum Anlass, für 2022 die gesamte Bayerische Filmförderung streichen zu wollen. Die hat immerhin ein Etat von 16 Millionen Euro. Dieser Antrag wurde so begründet: „Trotz eines weit ausgebauten Filmfördersystems bleiben viele deutsche Filmproduktionen in hohem Maße defizitär. Die bayerischen Beiträge stellen hier leider keine Ausnahme dar. Nur ein Bruchteil der Fördermittel, die eigentlich als Darlehn gedacht sind, werden zurückgezahlt und nur wenige der geförderten Filme überschreiten die Hunderttausender-Zuschauergrenze. Eine Besserung wird es nur geben, wenn die Branche aufhört, sich selbst auf die Schulter zu klopfen und wenn die Politik endlich sagt, was alle wissen: Der deutsche Film ist nicht einmal für Deutschland gut genug, geschweige denn für die internationale Konkurrenz. Es muss sich etwas ändern. Beginnen wir bei der Förderung. Die Entscheidung darüber, welche Filme realisiert werden, obliegt vor allem den Fördergremien und den Fernsehredaktionen, was häufig zu einer politisch korrekten Formatierung der Stoffe, einem typischen Gremienfilm führt.“ [8]
Und die Kürzung der Zuschüsse für filmische Veranstaltung, für die ca. 1,6 Mio. Euro zur Verfügung gestellt werden sollten, begründete die AfD so: „Die Bayerische Filmförderung fördert auch politisch einseitige Filme z.B. ‚Und morgen die ganze Welt’ der ehemaligen Aktivistin Julia von Heinz.“, „Der Bayerische Film- und Fernsehpreis ist ein völlig unbedeutender Filmpreis, der mit dem Oskar und dem Goldenen Löwen von Venedig nicht zu vergleichen ist.“[9]
Soweit zwei Beispiele, wie man Anlässe nutzt, um seine Sichtweise, seine Politik auch im Parlament deutlich zu machen.
Somit komme ich zum dritten Punkt, zum Agieren in den Gremien der Sender und Landesmedienanstalten. Dazu gibt es keine Studien. Ich kann nur aus eigener Erfahrung sprechen. Im MDR-Rundfunkrat war von 2015 bis 2021 ein Vertreter der AfD. Derzeit hat die AfD keinen Vertreter im MDR-Rundfunkrat. Mit der Novelle des MDR-Staatsvertrags im Jahr 2021 haben die anderen Parteien geregelt, dass jeder Landtag drei Vertreter in den MDR schicken kann. Diese müssen mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit gewählt werden. So konnte man dafür sorgen, dass die AfD keinen Vertreter mehr hat. Allerdings sieht das anders aus, wenn die AfD mit einem Drittel in den Parlamenten eine Sperrminorität hat.
In den Jahren 2015 bis 2021 hat der AfD-Vertreter immer wieder auch Fragen zu einzelnen Beiträgen gestellt. Er hat abgefragt, ob und wie AfD-Positionen in der Berichterstattung berücksichtigt wurden und er hat thematisiert, inwieweit eine Vielfalt der Berichterstattung gegeben ist. Diese Fragen beantwortet offiziell der Intendant oder der Programmdirektor. Oftmals müssen diejenigen die Zuarbeit liefern, die den Beitrag selbst erstellt haben. Und das sind sehr oft feste Freie. Hätten Sie Lust, sich immer wieder zu rechtfertigen? Wie oft tut man sich so etwas an? Einmal im Quartal? Oder einmal im Jahr? Wenn man um dieses System weiß, weiß man auch, wie man ein solches System unter Druck setzen kann.
Für die Filmförderung kann ich keine Aussagen treffen. In der Filmförderung gibt es andere Strukturen. In den Länderförderern entsenden die Regierungen ihre Vertreter, nicht die Parlamente. Bisher hat so die AfD keinen Zugriff. Doch dies kann sich mit Regierungsbeteiligungen ändern. Allerdings kann man mit Anfragen aus dem Parlament heraus die Länderförderungen beschäftigen. Ob diese das aushalten und ihr Vergabeverhalten nicht verändern, müsste erst einmal untersucht werden.
Viele sagen, erst wenn die AfD an einer Regierung beteiligt ist bzw. diese stellt, kann es zu relevanten Veränderungen kommen. Doch um mehr mitreden und mitentscheiden zu können, muss man nicht unbedingt in der Regierung sein. Es gibt auch die Möglichkeit einer Tolerierung. Es ist nicht ausgeschlossen, dass die AfD bereit ist, den Ministerpräsidenten einer anderen Partei zu tolerieren, wenn man ihr drei, vier oder fünf Zugeständnisse macht.
Lassen Sie mich zum Schluss einen Blick zurück und einen Blick nach vorne machen. Die Frage ist ja, ob man die Demokratie dadurch sichert, dass man Verfassungsänderungen vornimmt, dass man versucht, Strukturen zu schaffen, die vor der AfD gesichert sind. Ob das allein ausreicht? Nein, aus meiner Sicht reicht es nicht.
Ich habe in den 90er Jahren und 2000er Jahren in Sachsen Politik gemacht. Damals haben die Jungen Nationaldemokraten, eine Jugendorganisation der NPD, das Konzept „nationalbefreiter Zonen“ verfolgt. Sie haben angefangen mit Jugendarbeit, dann haben sie Demonstrationen organisiert. Dann haben sie Auseinandersetzungen gesucht. Sie haben andere aus „ihren“ Zonen zu verdrängen versucht.
Die DVU hatte bei den Landtagswahlen in Sachsen-Anhalt im Jahr 1998 fast 13 Prozent. 2004 zog die NPD in den sächsischen Landtag mit fast 10 Prozent Wahlanteil ein.
In den 90 Jahren konnte ich feststellen, dass es immer mehr Orte gab, die kein Kino, keinen Jugendclub, keine kulturellen Angebote hatten. Die Orte und Räume, in denen man sich ohne Rechte treffen konnte, verschwanden.
Sicher, wir müssen über Verfassungsänderungen reden. Die Türen in Gesetzen, mit denen Vielfalt ausgehebelt werden kann, müssen geschlossen werden. Doch dies allein reicht nicht. Wir brauchen ein breites kulturelles Angebot, wir brauchen die Vielfalt auch auf dem Land. Dazu gehört, dass man in jedem Ort, auch in jedem kleinen Ort, einmal im Monat einen Film sehen, einmal im Monat an einer Lesung teilnehmen, einmal im Monat zu einem Konzert gehen kann. Mindestens. Ich glaube, das sollte man bei all diesen Diskussionen nicht vergessen.
Heiko Hilker hat seit fast 35 Jahren Erfahrung in der Medienpolitik. Er kommt aus dem Osten und hat sich erstens 1990/91 für den Erhalt des Jugendradios DT64 eingesetzt. Dies war sein Einstieg in die Medienpolitik. Zweitens war er 15 Jahre als Parteiloser von 1994 bis 2009 sächsischer Landtagsabgeordneter – in der PDS-Fraktion. Auch wenn er die ganze Zeit Mitglied einer Oppositionsfraktion war, weiß er, wie Parlamente funktionieren. Seit 1997 ist er Mitglied des MDR-Rundfunkrates, in dem er seit zwei Jahren den DJV Sachsen vertritt. So weiß er auch um die Arbeits- und Funktionsweise von Rundfunkräten.
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[1] Andreas Kehrer: Höckes 5-Punkte-Plan für den Fall, dass die AfD Thüringen regiert. Rede von Björn Höcke zum AfD-Landesparteitag in Pfiffelbach am 17. November 2023.
Der letzte Punkt in Höckes Plan beschäftigt sich mit einer fundamentalen Umgestaltung der Medienlandschaft. In Pfiffelbach erklärt er „die Medienstaatsverträge“ kündigen zu wollen. „Ja, das macht der Höcke!“, ruft er, von sich selbst in dritter Person sprechend, in den Saal und erntet Applaus von seinen Parteifreunden. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk sei zu teuer. Er habe zu viele überflüssige Programme und betreibe Regierungspropaganda, sagt Höcke. „Stattdessen soll es einen Grundfunk geben, vielleicht zehn Prozent, von dem was wir jetzt haben. Es wird eine Grundversorgung geben, aber keinesfalls mehr einen Zwangsbeitrag. Das wird dann durch Steuern finanziert.“
https://www.mdr.de/nachrichten/thueringen/hoecke-fuenf-punkte-plan-afd-100.html, Stand: 10.12.2023).
[2] https://www.revosax.sachsen.de/vorschrift/18790-MStV#p116, (Stand: 20.02.2024).
[3] https://www.afd.de/wp-content/uploads/2021/06/20210611_AfD_Programm_2021.pdf, S. 164, (Stand: 02.03.2024).
[4] Der öffentlich finanzierte Medienverbund hat 2022 insgesamt 893,6 Millionen Euro (2021: 851,2 Millionen Euro) zur Herstellung von Auftrags-, Ko- und Mischproduktionen sowie für den Erwerb von Senderechten bereits hergestellter Sendungen aufgewendet. […] Von dem finanziellen Volumen, das von der ARD vergeben wurde, gingen wie schon 2021 drei Viertel (668,1 Mio. €; 74,8 Prozent) an unabhängig Produzierende bzw. Lizenzgebende. 25,2 Prozent (225,4 Mio. €) entfielen auf abhängig Produzierende/Lizenzgebende.
https://www.ard.de/die-ard/presse-und-kontakt/ard-pressemeldungen/2023/11-30-ARD-Produzentenbericht-2022-ARD-bleibt-wichtige-Auftraggeberin-fuer-vielfaeltige-Produktionslandschaft100/, (Stand: 02.03.2024).
[5] https://www.landtag.ltsh.de/infothek/wahl19/drucks/00700/drucksache-19-00764.pdf, (Stand: 02.03.2024).
[6] https://www.landtag-mv.de/fileadmin/media/Dokumente/Parlamentsdokumente/Drucksachen/7_Wahlperiode/D07-3000/Drs07-3201.pdf, (Stand: 02.03.2024).
[7] https://dserver.bundestag.de/btd/19/246/1924662.pdf, (Stand: 02.03.2024).
[8] https://www1.bayern.landtag.de/www/ElanTextAblage_WP18/Drucksachen/Basisdrucksachen/0000013000/0000013288.pdf, (Stand: 02.03.2024).
[9] https://www.bayern.landtag.de/www/ElanTextAblage_WP18/Drucksachen/Basisdrucksachen/0000013000/0000013283.pdf, (Stand: 02.03.2024).