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Die DEUTSCHE AKADEMIE FÜR FERNSEHEN soll in der öffentlichen Diskussion über die Medien und ihre Inhalte zu einer Stimme der Fernsehschaffenden werden und das Bewusstsein für die kreativen und künstlerischen Leistungen derjenigen, die die Fernsehprogramme gestalten, fördern und stärken.

Zweck laut Satzung der DEUTSCHEN AKADEMIE FÜR FERNSEHEN ist die Entwicklung des deutschen Fernsehens als wesentlichen Bestandteil der deutschen Kultur sowie der deutschen Kulturwirtschaft zu fördern und deren Vielfalt zu erhalten, das Gespräch und den Austausch von Ideen und Erfahrungen zwischen den deutschen Fernsehschaffenden insbesondere auch zwischen freiberuflichen und in Sendern festangestellten anzuregen, zu stärken und zu pflegen, den Diskurs zu inhaltlichen und wirtschaftlichen Aspekten des deutschen Fernsehens zu führen.

Dazu werden öffentliche Veranstaltungen zu kulturellen, politischen und wirtschaftlichen Themen im audiovisuellen Bereich organisiert, Weiterbildungsveranstaltungen für im audiovisuellen Bereich tätige Personen unter Leitung von Mitgliedern des Vereins oder externen Experten durchgeführt, und die Verleihung einer Fernsehauszeichnung, gegebenenfalls mit noch zu bestimmenden Partnern, vorbereitet und durchgeführt.

Die Akademie hat ihren Sitz in Berlin und München. Sie wird allen kreativen Fernsehschaffenden mit langjähriger Erfahrung und besonderer Leistung bei der Herstellung deutscher Fernsehwerke aus den Bereichen Fiction, Non-Fiction, Unterhaltung und Journalismus offen stehen.
Ab 2024 ist der normale Beitragssatz € 180, in Ausnahmefällen ist er reduziert.

Bitte beachten Sie unsere angepassten Mitgliedsbeiträge ab Januar 2024.

Diese entnehmen Sie der aktualisierten Beitragssatzung unter https://daff.tv/wp-content/uploads/2023/09/Beitragsanpassung_Anlage3_MVDAfF_2023_final.pdf

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Detlef Sack & Nora Freier: Beteiligung von Bürger*innen ist mehr als Unterrichtung

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Detlef Sack & Nora Freier: Beteiligung von Bürger*innen ist mehr als Unterrichtung

Beteiligung von Bürger*innen ist mehr als Unterrichtung. Die Dialogformate zum ö/r Rundfunk aus Sicht der Partizipationsforschung

Detlef Sack & Nora Freier

Einleitung

Unsere nachfolgenden Überlegungen sind veranlasst durch die Legitimationskrise des ö/r Rundfunk. Diese setzt sich aus zwei miteinander verschränkten »Strömen« zusammen. Der evolutionäre Strom setzt sich etwa aus veränderten medialen Bedarfen, Nutzungsstilen und Symbolen, aus bürokratischen Eigenlogiken im ö/r Rundfunk wie auch Verhaltensangeboten eines mediengetriebenen Akkumulationsregimes zusammen. Der zweite Strom ist derjenige der intentionalen Politik: (Rechts‑)populistische Parteien, Interessensgruppen und konkurrierende Medien stellen die bisherigen Regulierungen und Finanzströme des ö/r Rundfunk in Frage, um ihre eigenen Interessen zu befördern. Elitennetzwerke im ö/r Rundfunk nutzen mikropolitische (Macht‑)Praktiken, um sich selbst zu bereichern. Beide Ströme sind analytisch zu unterscheiden, verschränken sich aber in der öffentlichen Wahrnehmung des ö/r Rundfunk und nicht zuletzt seiner gesellschaftlichen Akzeptanz. Sie münden in Reformbedarfe und Reformpolitik. Und wie immer: Wo Reform draufsteht, ist politischer Konflikt mit Gewinner*innen und Verlierer*innen drin. Im Kontext dieser Reformbestrebungen ist unser Thema die gesellschaftliche Beteiligung an der Programmgestaltung, genauer: Aus der Perspektive der Partizipationsforschung diskutieren wir die Angemessenheit verschiedener Informations‑, Dialog‑ und Deliberationsformate, die in den letzten zehn Jahren durchgeführt wurden. Sind es gute Beteiligungsformate? Was leisten sie (nicht)?

Auf eine Darstellung der vielfältigen Aspekte der Legitimationskrise des ö/r Rundfunk verzichten wir nachfolgend, weil wir sie als bekannt voraussetzen. Wir verzichten nicht auf eine Darstellung der grundsätzlichen demokratischen Mitbestimmung im ö/r Rundfunk durch »gruppenplurale« Rundfunkräte und ihre Defizite. Wir stellen anschließend zentrale Kriterien der Beteiligungsforschung vor, die wir nachfolgend auf die Beteiligungsformate im ö/r Rundfunk anlegen. Abschließend schlagen wir zwei institutionelle Varianten für eine dauerhafte gesellschaftliche Öffnung vor.

Rundfunkräte und gesellschaftliche Repräsentation

Auf den ersten Blick erscheint es kurios, »neue« Beteiligungsformate aufzusetzen. Im ö/r Rundfunk erfolgt (wie in anderen gesellschaftlichen Teilbereichen auch) eine funktionale Selbstverwaltung, in der die Repräsentation und Beteiligung der betroffen gesellschaftlichen Gruppen institutionalisiert ist. Die Rundfunkräte (inkl. ZDF-Fernsehrat, Hörfunkrat des Deutschlandradios) haben die Funktion, die Einhaltung des gesetzlichen Sendeauftrages zu überwachen, vor allem aber die Offenheit der Sendeanstalten gegenüber den vielfältigen gesellschaftlichen Bedarfen und Anliegen zu gewährleisten. Dies wird durch eine gruppenpluralistische Zusammensetzung gewährleistet, d.h. durch Verbandsvertreter*innen unterschiedlicher sozialer Gruppen. Dies bringt zwei erkennbare Defizite mit sich: So ist die Staatsferne nicht immer gesichert und gesellschaftlich »neue« bzw. neu artikulierte Anliegen, etwa der Queer Community oder von PoC, werden nicht oder nur deutlich verspätet in den Gremien repräsentiert (Goldmann 2022). Aus guten Gründen (Bürger*innen sind gesetzlich verpflichtet, den ö/r Rundfunk zu finanzieren) wird bei Programminhalten und ‑formaten ein umfassender gesellschaftlicher Repräsentationsanspruch erhoben, der aber durch gruppenpluralistische Rundfunkräte nicht oder nur teilweise eingelöst werden kann. Zumindest ist im letzten Jahrzehnt erkennbar der Eindruck entstanden, dass es weiterer Formate gesellschaftlicher Öffnung und der Anbindung an soziopolitische Bedarfe und sozio-kulturelle Vorstellungen und Erwartungshaltungen braucht.

Bewertungskriterien deliberativer Beteiligungsformate

Um Beteiligungsformate danach zu bewerten, ob sie substantiell Bürger*innen mit ihren vielfältigen Perspektiven an gesellschaftlicher Gestaltung teilhaben lassen, haben sich mittlerweile einige Evaluationskriterien etabliert (Freier et al. 2023). Die Auswahl und Repräsentation heterogener Bevölkerungsgruppen ist voraussetzungsvoll. Bei offenen Dialogverfahren und Selbstrekrutierung melden sich die »üblichen Verdächtigen« mit mittleren und hohen Graden an Einkommen, formaler Bildung, rhetorischem Geschick, kulturellem Kapital. Dies lässt sich durch aufsuchende Ansprache, die sich an statistischen Merkmalen von Bevölkerungsgruppen, an Multiperspektivität bzw. der Annahme von Betroffenheit orientiert, eindämmen. State of the art sind Losverfahren, die mit einer Zufallsauswahl den Weg für eine inklusive Beteiligung ebnen. Die aktive Auswahl und Einladung an gesellschaftlichen Gestaltungsprozessen teilzuhaben, ist aber alleine kein Allheilmittel. Die Praktikabilität einer solchen Teilhabe geht oft für bestimmte soziale wie etwa prekäre Milieus nicht konform: Fehlende Bildung erschwert den Zugang durch fehlendes Wissen – sei es inhaltlich oder formal; fehlendes Einkommen verringert die Mobilitätsmöglichkeiten oder Zeitkontingente, die notwendig sind, um an Gestaltungsprozessen teilhaben zu können. Dazu kommt oft fehlendes politisches Vertrauen, was sich nicht zuletzt in der eigens wahrgenommenen Selbstwirksamkeit ausdrückt. Auch diese faktischen Barrieren von Beteiligung gilt es – wenn Repräsentation und Multiperspektivität Ziel sind – abzubauen. Sie erfordern Wege aufsuchender Beteiligung (vgl. Liesenberg & Strothmann 2022), eine barrierefreie Prozessgestaltung und vielfältige Anreizmechanismen (Aufwandsentschädigung, Angebote für Betreuungen u.ä.). Partizipationsformate gehören professionell durchgeführt. Prozessgestaltung und ‑management haben bestimmten Standards zu genügen. Diese sollen die (gleich verteilte) Meinungsäußerung, Sprechfähigkeit und Argumentationskapazität befördern, und durch Information, Expertise und Argumentation nicht nur die Bürger*innen über komplexe Sachverhalte aufklären, sondern zur Produktion von neuem Wissen (Themen, Inhalten, Medienformaten) beitragen.

Der Sinn von Beteiligungs‑ und Deliberationsformaten ist weder das Schaffen von Akzeptanz oder das Aufsaugen gesellschaftlichen Wissens durch die Institutionen, sondern die Förderung von Selbstwirksamkeit von Bürger*innen in unterschiedlichen sozialen Milieus durch tatsächlichen beratenden Einbezug. Sie sollen die Möglichkeit erhalten, ihre Sichtweisen, ihre Anliegen und ihre Interessen zu artikulieren, gehört zu werden und dabei mit anderen zu lernen und weitere Kompetenzen zu erwerben. Politische Selbstwirksamkeit und das Gefühl, etwas ausrichten zu können, ist aber daran gekoppelt, dass die Ergebnisse der Beratungen auch eine tatsächliche Resonanz erfahren. Folgenlose Partizipation kann »gruppentherapeutischen Charakter« haben (Arnstein 1969), mündet aber bald in politische Frustration.

Analyse einiger ö/r Beteiligungsformate

Beim Durchgang durch die Informations‑, Dialog‑ und Deliberationsformate, mit denen sich die Sendeanstalten gegenüber den Bürger*innen öffnen, beginnen wir mit zwei recht einfach gestrickten Formaten. Der WDR Check 2013-2015 ist ein Format der Unterrichtung, Information und unilateralen Responsivität, das heißt, die Bürger*innen fragen und der Intendant antwortet (und macht bestenfalls rhetorische Zugeständnisse).[1] Atemberaubend entlarvend ist folgende »Dialog«-Struktur. Auf den Beitrag »Ich habe den Eindruck, dass immer mehr xxx gesendet wird« antwortet der Intendant »Der Eindruck täuscht« und gibt einige Statistiken zum Besten.[2] Gutwillig interpretiert lässt sich diese Frage-Antwort-Konstellation als Belehrung oder Unterrichtung einordnen. Was es nicht ist: Dialog, Teilhabe und Resonanz.

Im Zeitraum vom 19.11.2021-14.01.2022 fand eine Online-Beteiligung zur Reform des ö/r Rundfunks statt. Diese wurde von der Landesregierung Rheinland-Pfalz organisiert. Verbände, Unternehmen und Personen aus der Medienwirtschaft, ö/r Rundfunkanstalten und Bürger*innen waren aufgerufen, Ideen und Vorschläge zur Reform des ö/r Rundfunks einzureichen.[3]

Von der AG Animationsfilm bis zum ZDF-Fernsehrat sind die Stellungnahmen dokumentiert. Es finden sich außerdem 722 Seiten (einzeilig) mit Eingaben von Bürger*innen. Was wir – etwa im Vergleich zu den Konsultationsverfahren der EU – nicht entdecken, ist a.) eine strukturierende Zusammenfassung von Stellungnahmen und Eingaben. Wer hat als Laie die Zeit, sich alle Stellungnahmen durchzulesen? Vor allem aber b) gibt es keine Information, wie und welche Konsultationsbeiträge in den Medienstaatsvertrag eingegangen sind. Der Umgang mit den Ergebnissen ebenso wie die Folgen der Konsultation sind nicht transparent. Bei dieser Online-Konsultation (wie auch beim WDR-Check) fand – soweit ersichtlich – ein Selbstrekrutieren der Bürger*innen statt. Diese hat bestimmte Repräsentationseffekte: Es melden sich vor allem diejenigen zu Wort, die ein mittleres bis hohe Einkommen haben, in gesicherter Beschäftigung leben, einen hohen formalen Bildungsgrad aufweisen und ein eher hohes politisches Interesse und Vertrauen haben. Es sind also diejenigen, die ohnehin bereits in Gesellschaft und Politik aktiver und kompetenter in der Artikulation und Durchsetzung ihrer Interessen sind (vgl. Schäfer, Schoen 2013, S. 95). Das hat auch das dritte, ambitionierte Format in transparenter Weise eingestanden, obwohl Bemühungen unternommen worden sind, den Kreis der Teilnehmenden zu erweitern. Vom 24.11.2020-14.03.2021 fand eine Online-Diskussion zur Zukunft des Fernsehens statt. Das Grimme-Institut hat gemeinsam mit der Bundeszentrale für politische Bildung (bpb) und dem Düsseldorfer Institut für Internet und Demokratie der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf (DIID) das Format »#meinfernsehen2021« organisiert.[4]

Im Vergleich zu den beiden vorgenannten Verfahren handelt es sich hier um ein gestuftes dialogisches Format, um gesellschaftliche Bedarfe und Bewertungen zu ermitteln. Zunächst haben sich die Teilnehmenden zu den Themengebieten »Information«, »Unterhaltung« und »Zugang und Nutzung« anhand konkreter und strukturierender Leitfragen ausgetauscht. Eine zweite offene Diskussionsphase schloss sich an. Nach einer Verdichtung der Diskussionsbeitrage zu Kernaussagen (durch Expert*innen) fand eine Abstimmung statt.

Was sind die qualitativen Sprünge dieses Verfahrens aus der Perspektive der Partizipationsforschung? Bürger*innen sprechen über Medieninhalte und Strukturfragen des ö/r Rundfunk miteinander, sie reagieren aufeinander. Darin können sie lernen, ihre Positionen zu verändern oder aber auch sich argumentativ abzugrenzen. Dialog ist nicht immer harmonisch, ist eine Gelegenheit, Wert‑ und Interessenkonflikte auszutragen. Relevanzen werden von Bürger*innen ermittelt, nicht von Intendant*innen. Die vielfältigen Positionen der Bürger*innen werden typisiert und fokussiert. Es hat hier eine expert*innenseitige Unterstützung nach einem Bottom-up der Meinungsbildung gegeben. Abschließend erfolgt eine Abstimmung. Es gilt also weniger die lauteste oder redegewanteste Position, sondern auch die heimlich abgegebene Präferenz. Da die Rekrutierung der Teilnehmenden über die Verteiler der drei beteiligten Organisationen erfolgt, erhebt dieses Verfahren nicht den Anspruch, statistisch repräsentativ zu sein. Seine Geltung kann es nur durch die Aufnahme in Medienanstalten und Rundfunkräten gewinnen.

Mit dem Namen Tom Buhrow ist nicht nur der »WDR check« verbunden (s.o.), sondern in seine Zeit als Vorsitzender der ARD fällt der »ARD Zukunftsdialog« 2021 (31.05.-27.06.2021 für Beiträge und Kommentare geöffnet).[5] Vor der Online-Beteiligung fand eine themensuchende virtuelle Auftaktkonferenz von 139 gelosten Teilnehmer*innen und 35 ARD-Vertreter*innen statt. Der Prozess wurde durch Diskussionen in den ARD-Anstalten begleitet. Bei einer virtuellen Abschlusskonferenz wurden die Themen und zukünftigen Schwerpunkte von 91 Bürger*innen und 18 ARD-Vertreter*innen bewertet und gewichtet. Der partizipative Mehrwert dieses Verfahrens liegt darin, Teilnehmer*innnen zu losen. Losverfahren – so sagte Marina Weisbrand sinngemäß auf einer Tagung zur Zukunft ds ö/r Rundfunk am 27.02. in Berlin – beinhalten die Botschaft, »dass es auch mich selber hätte treffen können.«[6]

Im September 2022 kündigte das ZDF an, das erste bundesweite ö/r Publikums-Panel mit 50.000 bis 100.000 Menschen einzurichten, das regelmäßig zu Programmformaten und ‑inhalten befragt werden soll. In einem regelmäßigen Dialog und mit aktuellen Befragungen werde das ZDF diese prüfen und weiterentwickeln lassen. Kritisch lässt sich einwenden, dass Befragungen keinen Dialog darstellen.[7] Nun können wir – mangels Umsetzung – das Panel noch nicht bewerten. Kernpunkt einer Kritik könnte aber sein, dass die Möglichkeiten eines Panels unterschätzt werden (s.u.).

Fasst man die Bewertung der genannten Formate aus Sicht der Partizipationsforschung zusammen, dann lässt sich eine aufsteigende Linie zur Orientierung an Qualitätskriterien der Beteiligung identifizieren, nämlich einerseits von Formaten der Unterrichtung bis hin zu denjenigen der dialogischen Wissensproduktion und Abstimmung über wichtige Themen. Andererseits wird die Selbstrekrutierung der Teilnehmenden durch Losverfahren und damit durch das Zufallsprinzip ergänzt. Da wir die Beteiligungsformate nicht im Nachgang beforscht haben, ist für uns die Frage der Wirkung auf den ö/r Rundfunk und der Programminhalte und ‑formate nicht gut zu beantworten. Hier müssen Berufenere ran, die belegen können, dass es aufgrund der Beteiligungsformate zu maßgeblichen Veränderungen bei Programminhalten und ‑formaten anstatt zu einem Knicken, Lochen und Abheften gekommen ist.

Institutionelle Varianten – ein Fazit

Die Debatte um Beteiligungsformate im ö/r Rundfunk lässt sich durch zwei unterschiedlich gelagerte institutionelle Vorschläge bereichern, die aus der aktuellen internationalen Partizipationsforschung kommen. Das sog. »Ost-Belgien-Modell« basiert darauf, dass ein dauerhafter, einmal im Monat tagender Rat der Bürger*innen aus 24 gelosten Teilnehmenden etabliert wird (Bertelsmann 2023). Dieser Rat setzt Beratungsthemen und Fragestellungen fest. Diese Themen und Fragen werden wiederum von Bürger*innenversammlungen behandelt (25-50), bei dem die Beteiligten gelost und entsprechend bestimmter Kriterien gewichtet werden (Alter, Geschlecht, Bildung u.a.m.). Nach dreimonatiger Beratung gehen die themenspezifischen Empfehlungen an das Parlament. Die Befassung des Parlamentes mit den Empfehlungen wird nun wiederum vom dauerhaften Rat der Bürger*innen geprüft. Diese Model ließe sich in dem Sinne anpassen, dass Rundfunkräte themenspezifische Beratungen mit geloster Teilnehmerschaft beauftragen. Die jeweiligen Empfehlungen werden an die Sendeanstalten adressiert. Der Rundfunkrat hat das Monitoring. Entsprechend der Themen sind – nach Losung – Kriterien für eine statistische Repräsentation bzw. Multiperspektivität zu beachten. Eine Frage zur »Vielfalt in der Gesellschaft« ohne Personen z.B. mit Einwanderungsgeschichte oder Armutserfahrungen ist eine müßige Angelegenheit. Orientiert man sich hingegen an der Panel-Initiative des ZDF (also an Legitimität durch eine hohe Fallzahl), dann bietet es sich an, an die Praxis des »Deliberative Poll« anzuschließen (vgl. Fishkin: 2018, siehe auch den Beitrag von Fishkin in diesem Band). Nach Umfragen im Panel zu bestimmten Themen können geloste, statistisch gewichtete Gruppen identifiziert werden, die in Präsenz oder online gemeinsam mit Expert*innen in eine informierten Beratung gebracht werden, die über mehrere Stufen laufen kann und mit Abstimmungen über Empfehlungen an die Sendeanstalt enden.

Knapp gesagt: Die institutionelle Kreativität und das Innovationspotenzial der (dauerhaft etablierten) Beteiligungsformate ist derzeit nicht ausgeschöpft. Gesellschaftliche Beteiligung läuft jedoch ins Leere, wenn Bürger*innen erfahren, dass ihre Empfehlungen ignoriert werden. Enttäuschung hat dann einen Namen: »Danke für nichts«. Es ist also die Aufgabe der Sendeanstalten, Rechenschaft abzulegen, was aus den Empfehlungen ihrer Beteiligungsformate geworden ist.

Prof. Dr. Detlef Sack ist Professor für Politikwissenschaft, insbesondere Demokratietheorie und Regierungssystemforschung an der Bergischen Universität Wuppertal.

Nora Freier M.A. ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Demokratie‑ und Partizipationsforschung an der Bergischen Universität Wuppertal.

Literatur und Verweise

Arnstein, Sherry R. (1969): A ladder of citizen participation. Journal of the American Institute of planners, 35(4), pp. 216-224.

Bertelsmann-Stiftung (2022): Shortcut 7 – Das Ostbelgien-Modell. Verfügbar unter: https://www.bertelsmann-stiftung.de/de/unsere-projekte/demokratie-und-partizipation-in-europa/shortcut-archiv/shortcut-7-das-ostbelgien-modell (aktuell zuletzt am 16.05.2023)

Freier, Nora, Mittendorf, Volker, Sack, Detlef (Hg.) (2023): Demokratieinnovationen, Repräsentation und Politikwandel. dms – der moderne staat, 14, 2023/1.

Goldmann, Fabian (2022): Welche Gesellschaft soll das abbilden? Mangelnde Vielfalt in Rundfunkräten und was dagegen hilft. hg. Von Neue Deutsche Medienmacher:innen, https://neuemedienmacher.de/aktuelles/beitrag/ndm-studie-rundfunkraete-pm (aktuell zuletzt am 16.05.2023)

Fishkin, James (2018): Democracy. When the People Are Thinking: Revitalizing Our Politics Through Public Deliberation. Oxford. Oxfod University Press

Liesenberg, Katharina, Strothmann, Linus (2022): Wir holen Euch ab! Wie wir durch Bürgerräte und Zufallsauswahl echte Vielfalt in die Demokratie bringen. München: oekom.

Schäfer, Armin, Schoen, Harald (2013): Mehr Demokratie, aber nur für wenige? Der Zielkonflikt zwischen mehr Beteiligung und politischer Gleichheit in: Leviathan, Jahrgang 41 Heft 1, Seite 94-120.

Tieschky, Claudia (2023): »Ö/r Reform: Ist das Schlager oder kann das weg?« In: Süddeutsche Zeitung, 28. Februar 2023. Verfügbar unter: https://www.sueddeutsche.de/medien/neustart-brosda-vernau-oeffentlich-rechtliche-diskussion-1.5759964 (aktuell zuletzt am 30.07.2023)

[1] https://www1.wdr.de/archiv/wdr-check/index.html (aktuell zuletzt am 01.05.2023)

[2] https://www1.wdr.de/dossiers/wdr-check/wdrcheckfaq136.html (aktuell zuletzt am 01.05. 2023)

[3] https://rundfunkkommission.rlp.de/rundfunkkommission-der-laender/reform-ard-zdf-deutschlandradio/onlinebeteiligung-reform-oerr (aktuell zuletzt am 01.05.2023)

[4] https://www.meinfernsehen2021.de/onlinebeteiligung/ziel-und-hintergrund/ (aktuell zuletzt am 01.05.2023)

[5] https://www.ard.de/die-ard/spezial/ARD-Zukunftsdialog-Bericht-2021-100.pdf (aktuell zuletzt am 01.05.2023)

[6] https://medienpolitik.eu/neustart-oerr-wie-weiter-mit-unseren-medien/ (aktuell zuletzt am 30.06.2023)

[7] https://netzpolitik.org/2022/neues-aus-dem-fernsehrat-92-ein-panel-ist-noch-kein-dialog/ (aktuell zuletzt am 01.05.2023)

Zuerst veröffentlicht in: Lipp, Thorolf; Wiedemann, Dieter (2024): Medienzukunft 2025. Wie kann Vielfalt gelingen. Zur Weiterentwicklung der ö/r Medien. Bielefeld. transcript. 

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