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Interner Bereich, Filmwahl und mehr...
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Die Deutsche Akademie für Fernsehen – kurz DAFF – wurde im Dezember 2010 gegründet mit dem Ziel, den Kreativen in den unterschiedlichen Gewerken von der Entwicklung bis hin zur Herstellung von deutschen Fernsehprogrammen eine eigene Stimme zu verleihen. Wir verzeichnen derzeit knapp 800 Mitglieder.
Die DEUTSCHE AKADEMIE FÜR FERNSEHEN soll in der öffentlichen Diskussion über die Medien und ihre Inhalte zu einer Stimme der Fernsehschaffenden werden und das Bewusstsein für die kreativen und künstlerischen Leistungen derjenigen, die die Fernsehprogramme gestalten, fördern und stärken.
Zweck laut Satzung der DEUTSCHEN AKADEMIE FÜR FERNSEHEN ist die Entwicklung des deutschen Fernsehens als wesentlichen Bestandteil der deutschen Kultur sowie der deutschen Kulturwirtschaft zu fördern und deren Vielfalt zu erhalten, das Gespräch und den Austausch von Ideen und Erfahrungen zwischen den deutschen Fernsehschaffenden insbesondere auch zwischen freiberuflichen und in Sendern festangestellten anzuregen, zu stärken und zu pflegen, den Diskurs zu inhaltlichen und wirtschaftlichen Aspekten des deutschen Fernsehens zu führen.
Dazu werden öffentliche Veranstaltungen zu kulturellen, politischen und wirtschaftlichen Themen im audiovisuellen Bereich organisiert, Weiterbildungsveranstaltungen für im audiovisuellen Bereich tätige Personen unter Leitung von Mitgliedern des Vereins oder externen Experten durchgeführt, und die Verleihung einer Fernsehauszeichnung, gegebenenfalls mit noch zu bestimmenden Partnern, vorbereitet und durchgeführt.
Die Akademie hat ihren Sitz in Berlin und München. Sie wird allen kreativen Fernsehschaffenden mit langjähriger Erfahrung und besonderer Leistung bei der Herstellung deutscher Fernsehwerke aus den Bereichen Fiction, Non-Fiction, Unterhaltung und Journalismus offen stehen.
Ab 2024 ist der normale Beitragssatz € 180, in Ausnahmefällen ist er reduziert.
Bitte beachten Sie unsere angepassten Mitgliedsbeiträge ab Januar 2024.
Diese entnehmen Sie der aktualisierten Beitragssatzung unter https://daff.tv/wp-content/uploads/2023/09/Beitragsanpassung_Anlage3_MVDAfF_2023_final.pdf
Bankverbindung:
Empfänger: Deutsche Akademie für Fernsehen e.V.
IBAN: DE09 3705 0299 0000372 343
SWIFT BIC: COKSDE33XXX
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Im Begriff der ö/r Medien sind Elemente vereinigt, die in medienwissenschaftlichen Analysen, im Regulierungsdiskurs und in Selbstdarstellungen selten zusammengeführt werden. Im rechtlichen Diskurs geht es traditionell um die Staatsfreiheit, um Abgrenzungsregeln gegenüber den privaten Rundfunkmedien sowie um die Legitimation des Finanzierungsprivilegs der ö/r Anstalten. Aus regulatorischer Sicht sind dabei die journalistisch-redaktionelle Veranlassung der Inhaltsproduktion und der Beitrag, den diese Medien durch die Bereitstellung vielfältiger Perspektiven zur privaten und öffentlichen Meinungsbildung leisten, die zentralen Elemente. Die Selbstdarstellungen betonen meist den mit den Inhalten verbundenen Qualitätsanspruch und die Funktion ö/r Medien zum Erhalt des demokratischen Systems. Kommunikationswissenschaftliche Untersuchungen bewegen sich in der Regel unterhalb dieses Normen‑ und Behauptungsdiskurses, entwickeln jedoch selten kritische Fragestellungen, sondern beschränken sich auf empirische Bestandsanalysen. Das von ihnen vermittelte Bild der Nutzung von Rundfunk‑ und Online-Angeboten sagt wenig über die aktive Zufriedenheit und Unzufriedenheit der Nutzer mit dem Programm aus, denn quantitative Nutzungsdaten dürfen nicht mit Akzeptanz gleichgesetzt werden. Analysen der Organisationsstrukturen und der Managementpraxis in den ö/r Anstalten bleiben auf einer deskriptiven und technischen Ebene. Öffentlich-rechtliche Spezifika des Produktionsmanagements und des Rechnungswesens sind selten Gegenstände unabhängiger Forschung.
Die genannten Merkmale – Staatsfreiheit, Abgabenfinanzierung, journalistisch-redaktionelle Verantwortung, Beitrag zur Vielfalt der Perspektiven und generell zur Demokratie – ergeben kein klares Bild der Systemqualität ö/r Medien. Die Liste kann auch beliebig ergänzt werden, z.B. um Nachhaltigkeit, Innovation, Bürgernähe. Es fehlt eine zentrale Fragestellung, ein übergreifendes, leitendes Prinzip. Dies kann in allen drei Bereichen – Programminhalte und ‑produktion, Organisation und Management, Beziehung zum ökonomischen Umfeld – nur die Frage nach dem besonderen gesellschaftlichen Nutzen der Institution sein. Der Nutzen für die Allgemeinheit – der als Gegenwert der gemeinschaftlichen Finanzierung verstanden werden kann – ist ein den ö/r Medien zugeschriebenes und auferlegtes Systemmerkmal. Es kann nur konkret realisiert werden, wenn diese Medien sich auch in allen Bereichen für eine Prüfung ihrer Operationen und Entscheidungen öffnen. Ihre Verpflichtung gegenüber der Allgemeinheit bedingt, dass sie selbst ihre Legitimation gegenüber den politischen Auftraggebern, den Beitragszahlern und Nutzern sowie der Medienbranche kontinuierlich anstoßen. Das ist nur im öffentlichen Dialog mit allen Interessengruppen möglich und kann nicht auf die internen Sitzungen mit Aufsichtsgremien beschränkt werden. Die Gremien haben eine spezielle Verantwortung, die sie allerdings auch mit größerer Transparenz und Dialogbereitschaft gegenüber der Allgemeinheit wahrnehmen müssten.
Qualitätskriterien für die Arbeit von Einrichtungen des öffentlichen Sektors werden hat der Politikwissenschaftler Mark Moore (1995) mit seinem Public-Value-Konzept in die Diskussion gebracht. Ihm ging es darum, die Kosten, die einer Gesellschaft durch öffentlich verwaltete Aufgaben (wie Bibliotheken, Wasserversorgung, öffentliche Sicherheit) entstehen, kritisch zu hinterfragen. Gewöhnlich wird der Nutzen solcher dem Gemeinwohl dienenden Versorgungsangebote betrachtet, ohne ihm gegenüber auch die verbrauchten Ressourcen abzuwägen. Allgemein nützliche Aufgaben könnten auch von privat operierenden Unternehmen übernommen werden, wobei die öffentlichen Ressourcen, also Steuern und Abgaben, für andere Aufgaben frei würden. Die durch die Belastung der Allgemeinheit erzeugten Einschränkungen des privaten Konsums müssen nach Moore also dem Nutzen öffentlicher Unternehmen gegengerechnet werden. Auch wenn die Betreiber dieser Unternehmen allgemein geschätzte Werte erzeugen, müssen sie nachweisen, dass sich der finanzielle Aufwand im Hinblick auf die erreichten Ergebnisse lohnt. Es geht dabei nicht nur um finanzielle Aspekte, sondern auch um die bereitgestellten Dienstleistungen selbst. Wenn nicht gesichert ist, dass Individuen tatsächlich wollen, was die Regierung produziert, steht auch dessen Wert infrage. Damit verlöre allerdings die öffentliche Finanzierung ihre Legitimationsbasis. Jedoch werden öffentliche Dienstleistungen längst nicht immer in demokratischen Prozessen begründet und bestätigt. Deshalb droht immer ein zusätzliches Problemfeld: Personen, die der Redlichkeit oder Nützlichkeit politischer Verfahren nicht trauen, sind auch vom gesellschaftlichen Wert öffentlicher Dienstleistungen nicht zu überzeugen.
Moore lässt sich in seiner Konzeptbegründung nicht auf eine Diskussion der gängigen Gegensätze Staat versus Markt, Gemeinwohlorientierung versus Profitorientierung oder Paternalismus versus Konsumentensouveränität ein. Er sucht stattdessen nach einer Lösung, die alle potentiellen Betroffenen und Interessengruppen in die Entscheidungsfindung einbezieht. Der Kern seines Vorschlags ist die Forderung, den Nutzen solcher Dienste öffentlich nachzuweisen. Dazu genügt die Darstellung der Grundsätze oder einer „Vision“ des jeweiligen Unternehmens und ihre Einbindung in eine PR-Geschichte keineswegs. Moores Evaluierungsvorschlag für den Public Value besteht aus der Kombination von drei Verfahren: die Ermittlung der Zufriedenheit der aufsichtführenden Körperschaft mit der Leistung des Unternehmens, die Bewertung der Management-Leistungen z.B. mithilfe von Kosten-Nutzen-Analysen und die Messung der Zufriedenheit von Kunden und Nutzern. Dem entspricht das von Moore ins Spiel gebrachte Dreieck von Legitimation, Wirtschaftlichkeit und Akzeptanz, in dem sich Public Value zu bewähren hat. Diese Faktoren müssen allerdings jederzeit neu ausgehandelt werden. Public Value muss somit als ein mehrseitiger Prozess verstanden werden, nicht als eine Eigenschaft von Unternehmen oder ihrer Praxis.
Die BBC führte den Begriff Public Value 2004 in ihre Programmatik und Legitimationsstrategie ein, nachdem sie sich öffentlich mit den Mängeln der eigenen Arbeitsweise und ihrer Akzeptanz auseinandergesetzt hatte (BBC 2004). Public Value steht in der BBC für die Einbeziehung und die Zufriedenheit des Publikums, für die Herstellung von Vertrauen in die Demokratie und die Medien sowie für die Transparenz von Verfahren. Sie berücksichtigt dabei die zunehmende Pluralität und Diversität der Gesellschaft, Veränderungen der Formen des demokratischen Engagements, den Trend zur individuellen Selbstverwirklichung und die wachsenden globalen Einflüsse. Zudem geht es ihr darum, einen Beitrag zur Stärkung der britischen Medienbranche und zu einem volldigitalen Großbritannien zu leisten.
Das Public-Value-Konzept der BBC enthält ein Prüf‑ und Legitimationsverfahren und beeinflusste die Rundfunkregulierung in vielen europäischen Staaten, darunter die Regeln des deutschen Dreistufentests. Allerdings setzt die britische Variante das Modell von Mark Moore nicht vollständig um. Erst recht geschieht das nicht in Deutschland.
Beispielsweise sieht die 2021 verabschiedete »Public-Value-Satzung« der deutschen Medienanstalten vor, dass die Auffindbarkeit von Medieninhalten privilegiert werden soll, »die in besonderem Maß einen Beitrag zur Meinungs‑ und Angebotsvielfalt im Bundesgebiet leisten«. Dabei sollen »bevorzugt der zeitliche Anteil an nachrichtlicher Berichterstattung über politisches oder zeitgeschichtliches Geschehen und der zeitliche Anteil an regionalen und lokalen Informationen sowie der Anteil an Angeboten für junge Zielgruppen berücksichtigt werden« (Die Medienanstalten 2021). Public Value ist hier ausschließlich auf empirisch konstatierbare Angebotsmerkmale beschränkt. Diese Festlegung folgt konsequent der Sentenz des langjährigen Vorsitzenden der Landesanstalt für Medien in Nordrhein-Westfalen, Norbert Schneider: »Das Publikum spielt in der Ermittlung des Public Value prinzipiell keine Rolle. Die Relevanz von Inhalten wird durch die Inhalte, nicht durch die Rezeption definiert« (zitiert nach Scherer 2011:131).
Die Europäische Rundfunkunion stellte ihr Selbstverständnis schon 2012 in Form von sechs knappen und vielversprechenden Core Values vor: Universalität – Unabhängigkeit – Vielfalt – Innovation – Exzellenz – Verantwortlichkeit (EBU 2012). Mit dem ersten Punkt versprechen die Rundfunk-Institutionen, Foren für alle Mitglieder der Gesellschaft zu schaffen, mit dem letzten Punkt die vollständige Transparenz aller Aspekte ihrer Arbeit und das Engagement in einer permanenten und substanziellen Diskussion mit ihren Publika. Die vom ARD-Generalsekretariat 2019 vorgestellten acht »Wertedimensionen« greifen die EBU-Stichworte auf, aber entschärfen sie dabei wesentlich. Aus einer universellen echten Beteiligung der Allgemeinheit (zum Beispiel durch Nutzung der im Internet gebotenen Kommunikationsmöglichkeiten) wird ein »verlässliches, allgemein zugängliches Medienangebot, das niemanden ausschließt, für jede und jeden etwas bereithält und Gesamtöffentlichkeit herstellt«. Und aus der aktiven Verantwortung gegenüber dem Publikum wird die Absicht, verantwortlich mit den Beitragsmitteln umzugehen: »Wir streben nach der bestmöglichen inhaltlichen Wertschöpfung aus den uns anvertrauten Mitteln« und die unspezifizierte sowie leicht widerlegbare Behauptung: »(Wir) sind im steten Austausch mit unserem Publikum« (Pfab/Arndt 2019). Die deutschen Rundfunkanstalten beantworten zwar in der Regel die an sie gestellten Zuschaueranfragen, halten sich ansonsten jedoch konsequent von einem steten Austausch fern. Die Mediatheken sind ausschließlich Verbreitungs‑ und nicht Dialogplattformen, Kommunikation mit Nutzern ö/r Inhalte findet im Internet nur auf Drittplattformen wie Youtube, Facebook, TikTok statt (Rotermund 2021). Der 2021 veranstaltete vierwöchige »ARD Zukunftsdialog« ist geradezu ein Musterbeispiel für den Unwillen und die Unfähigkeit der beteiligten ARD-Kommunikatoren, Dialoge auf Augenhöhe mit ihrem Publikum zu führen. Die auf einer Online-Plattform (ARD 2021) eingebrachten sachlichen und kritischen Vorschläge werden häufig nach dem Vorbild vorgefertigter Callcenter-Textbausteine abgefertigt. Dialoge, die diese Bezeichnung verdienen, werden verhindert bzw. schlicht nicht geführt. Eine Auftakt‑ und eine Abschlusskonferenz mit einer Teilnehmergruppe von 139 bzw. 91 Personen ermöglichte offenbar intensivere Diskussionen. Allerdings war die gesamte Veranstaltung hauptsächlich auf Programminhalte ausgerichtet, die vom Veranstalter bereits in fünf Themenrubriken vorsortiert waren. Eine Ausnahme bildete das Thema »Dialog«, bei dem Nutzer u.a. den Wunsch nach einer Kommentarfunktion in den Mediatheken äußerten. Dieser dezidierte Wunsch wird im Ende 2021 veröffentlichten knappen Abschlussbericht der ARD-Führung dann abgewiesen bzw. umgebogen: »Auf Social-Media-Kanälen des ARD-Programms wird der Austausch und Dialog mit den Nutzer*innen ausgebaut« (ARD 2021:22). Die ARD will sich also nicht auf ihrer eigenen Plattform mit dem Publikum auseinandersetzen, sondern nur auf den Plattformen kommerzieller Anbieter.
Die von mitgliederstarken Vereinen getragene schweizerische SRG ist seit langem dem Prinzip des Service public verpflichtet und pflegt systematisch Kontakte zum Publikum, zur Branche und zur Politik: »Public Value ist ein strukturierter Ansatz, der sich auf einen Dialog mit unseren Stakeholder*innen und der Öffentlichkeit stützt. Er zielt darauf ab, unsere Antwort auf neue gesellschaftliche Herausforderungen für die Medien zu vertiefen« (SRG 2022). Allerdings werden die Möglichkeiten der kontinuierlichen Akzeptanzbestätigung durch Online-Foren von ihr ebensowenig genutzt wie von ARD und ZDF.
Der österreichische ORF unterhält seit mehr als einem Jahrzehnt eine Public-Value-Abteilung, die regelmäßig Berichte produziert (ORF 2021) und Veranstaltungen organisiert, auf denen Freunde und Befürworter dieser Einrichtung ihre normativ untermauerte Auffassung von deren unverzichtbaren Beitrag zum Erhalt der Demokratie artikulieren. Es fehlt eine von dieser sorgsam organisierten Zustimmung unabhängige Bestätigung des Nutzens für die Gesellschaft.
In der Aufstellung der »Wertedimensionen« der ARD werden Begriffe, die Beziehungen bezeichnen, in idealisierende Selbstbeschreibungen verwandelt. Aus Teilhabe werden »reichweitenstarke Angebote«, und Verantwortung wird auf werteorientiertes Handeln der Institution reduziert, die sich jedoch der interaktiven Verantwortung vor den Mediennutzern und den verschiedenen Interessengruppen entzieht. Diese Praxis kann nicht beanspruchen, einen Beitrag zur Erfüllung von Public-Value-Anforderungen zu leisten. Sie ist auf Argumentationsmuster für Berichte über die Erfüllung des politischen und gesellschaftlichen Leistungsauftrags beschränkt, die der Eigenwerbung (»Wir sind deins«) ein werthaltiges Gepräge geben. Das gilt auch für andere Begriffe und Aspekte. So ist Public Value kein Synonym für Wertschöpfung, wie jedoch bei Pfab/Arndt (2019:166) zu lesen ist. Public Value lässt sich auch nicht »generieren«, wie es manchmal heißt. Public Value ist vielmehr idealerweise ein kontinuierlich laufender Prozess der Abstimmung und Bestätigung des gesellschaftlichen Werts aller Aspekte und Arbeitsbereiche der ö/r Medien. Das Public-Value-Verständnis der Rundfunkunternehmen im deutschsprachigen Raum weist demgegenüber zwei zentrale Defizite auf.
Das reduzierte Public-Value-Verständnis der deutschen Rundfunkanstalten findet im Kommunikationsmodell ihrer Onlineangebote einen folgerichtigen Ausdruck, das im wesentlichen auf dialogfreie Verbreitung ausgelegt ist. Die ö/r deutschen, österreichischen und schweizerischen Rundfunkanstalten haben auf drei Veranstaltungen 2019, 2020 und 2022 ihre »Gemeinwohlorientierung« reflektiert. In den Erklärungen dieser »Leipziger Impulse« (MDR 2022) werden Vielfalt, publizistische Qualität, Innovation und Transparenz und das Schaffen von Gemeinwohlnetzwerken als Zielmarken begründet. Allerdings gehen auch die Leipziger Impulse über Vorsätze nicht hinaus und versagen dem Publikum, der Medienbranche und den demokratischen Regulierungsinstanzen Angebote zur kontinuierlichen kritischen Aushandlung von Public Value.
Die ausschließliche Verteilung der Beitragsmittel an die Programmanbieter ARD, ZDF, Deutschlandradio ist staatsvertraglich geregelt, aber keineswegs verfassungsrechtlich vorgeschrieben. Per Gesetz bzw. Staatsvertrag könnte ein Prozentsatz des Rundfunkbeitrags – wie es auch für die Landesmedienanstalten geschieht, die knapp zwei Prozent der Mittel erhalten – abgezweigt und einem besonderen Fonds zugewiesen werden (vgl. auch den Beitrag von Thorolf Lipp in diesem Band). Von verschiedenen Seiten wird vorgeschlagen, einen Teil des Rundfunkbeitrags direkt über ein festzulegendes Auswahlsystem zur Finanzierung von Inhalten zu verwenden, für die ein allgemeines gesellschaftliches Interesse begründbar ist. Nutznießer könnten Produzenten sein, die diese Inhalte dann online oder über einen linearen Fernsehkanal ausspielen lassen, aber auch kommerzielle Fernsehsender wie ProSieben haben sich ins Gespräch gebracht. Eine zielführende Diskussion dieser Vorschläge ist bislang nicht zustande gekommen. Für die Auswahl müssten allseits akzeptierte Qualitätsmaßstäbe festgelegt werden. Darunter sollten Vielfaltsaspekte sein, also besondere Themen, besondere Perspektiven, besondere Zielgruppen, die aufgrund der Planstellenstrukturen und ihrer Benchmarks im Programmgeschehen der ö/r Sender nicht ausreichend berücksichtigt werden. Diese erfüllen keineswegs immer den verfassungsrichterlichen Auftrag, »insbesondere auch solche Aspekte aufzugreifen, die über die Standardformate von Sendungen für das Massenpublikum hinausgehen oder solchen ein eigenes Gepräge geben« (BVerfG 2018: Rn 78). Es gibt in privaten Programmen beispielsweise Magazine wie Galileo (ProSieben) und immer wieder einzelne Produktionen, die in inhaltlicher Hinsicht alle Merkmale gemeinnütziger Programme aufweisen. Die vom Verfassungsgericht geforderte »Entscheidungsrationalität«, die keinen ökonomischen Anreizen folgt, wird von den ö/r Anstalten nicht zur obersten Richtschnur gemacht. Die erzielbare Reichweite (Quote, Klickraten) ist bei ihnen der wichtigste Maßstab der Stoffauswahl und der Programmplanung, obwohl es dafür aufgrund der Beitragsfinanzierung keinen ökonomischen Anlass gibt. Viele dokumentarische und auch fiktionale Produktionen unterbleiben daher, weil ihnen keine »Programmplätze« zugestanden werden und keine ausreichende Finanzierung gewährt wird. Zudem macht den Anstalten offenbar die angestrebte »Verjüngung« ihrer Programme Schwierigkeiten, indem sie altbackene Inhalte und Darstellungsformen zu überwinden versuchen, jetzt aber mitunter deren Infantilisierung betreiben. Neben den inhaltlichen Qualitätskriterien sollte auch der Kommunikationsaspekt beachtet werden. Dieser kann zum Beispiel in Form von attraktiven interaktiven Umgebungen realisiert werden. Darüber hinaus müssten die Bewerber um Finanzierung aus Gemeinschaftsmitteln weitere Kriterien erfüllen: Nachweise nachhaltigen, sozialen und diversen Managements des Unternehmens bzw. der Produktionseinheit, also Transparenz des Geschäftsbetriebs. Der gesamte Antragsprozess sollte auf einer öffentlichen Plattform stattfinden, die den Beitragszahlern Kommunikationsmöglichkeiten über die vorgeschlagenen Projekte bereitstellt.
Ein »Public-Value-Produktionsfonds« hätte für die ö/r Unternehmen keine Nachteile – ihre Gesamtbudgets würden geringfügig gestutzt, blieben aber kalkulierbar. Darüber hinaus kann das Modell ihnen die Möglichkeit eröffnen, sich selbst mit Projekten um Mittel aus diesem Fonds zu bewerben.
Prof. Dr. Hermann Rotermund lehrte Medienwissenschaft an der Rheinischen Fachhochschule Köln und an der Leuphana-Universität Lüneburg. Von 1996 bis 2000 war er an der Gründung ö/r Onlinemedien beteiligt. Seine Forschungsschwerpunkte sind der Medienwandel und die Ideengeschichte(n) der Formalisierung.
ARD (Hg.) (2021), Zukunftsdialog. Bericht 2021. Köln. Internet-Plattform dazu: https://ard-zukunftsdialog.de/, letzter Zugriff: 1. Juli 2022.
BBC (Hg.) (2004), Building public value. Renewing the BBC for a digital world. London.
BVerfG (2018), Urteil des Ersten Senats vom 18. Juli 2018. www.bverfg.de/e/rs20180718_1bvr167516.html (aktuell zuletzt am 16.05.2023)
Die Medienanstalten (2021), Satzung zur Durchführung der Vorschriften gemäß § 84 Abs. 8 Medienstaatsvertrag zur leichten Auffindbarkeit von privaten Angeboten. Stand: 24.06.2021. https://www.die-medienanstalten.de/fileadmin/user_upload/Rechtsgrundlagen/Satzungen_Geschaefts_Verfahrensordnungen/Public_Value_Satzung.pdf (aktuell zuletzt am 16.05.2023)
EBU (2012), Empowering Society. A Declaration of the Core Values of Public Service Media. Geneva. https://www.ebu.ch/files/live/sites/ebu/files/Publications/EBU-Empowering-Society_EN.pdf (aktuell zuletzt am 16.05.2023)
KStA (2022), Journalist wirft dem Sender »faktisches Arbeitsverbot« vor. Kölner Stadtanzeiger 28.10.2022. https://www.ksta.de/kultur-medien/klima-journalist-verklagt-wdr-faktisches-arbeitsverbot-366364(aktuell zuletzt am 16.05.2023)
MDR (2022), Leipziger Impuls III: Ö/r Medien sichern Gemeinwohl durch Vielfalt. https://www.mdr.de/presse/unternehmen/presseinformation-leipziger-impuls-drei-100.html (aktuell zuletzt am 16.05.2023)
Moore, Mark H. (1995), Creating public value: strategic management in government. London.
ORF (Hg.) (2021), Public Value Bericht I–III. Wien.
Pfab, Susanne; Robert Arndt (2019), Public Value als Leitmotiv des öffentlichen Rundfunks. In: Die Medienanstalten (Hg.), Content-Bericht 2018. Forschung, Fakten, Trends. Berlin, S. 163-168.
Rotermund, Hermann (2021), Modell Youtube. Die ARD sollte ihre Mediathek dem Dialog öffnen. In: epd medien, Nr. 17, 30.04.2021, S. 3-6.
Scherer, Helmut (2011), Public Value als Publikumsauftrag oder Publikumsdesiderat. In: Karmasin, Matthias; Daniela Süssenbacher; Nicole Gonser (Hg.), Public Value. Theorie und Praxis im internationalen Vergleich. Wiesbaden, S. 127-140.
SRG SSR (Hg.) (2022), Geschäftsbericht 2021. Bern. https://gb.srgssr.ch/fileadmin/dam/pdf/Download-Center/Geschaeftsbericht-SRG-2021_de.pdf (aktuell zuletzt am 16.05.2023)