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Die DEUTSCHE AKADEMIE FÜR FERNSEHEN soll in der öffentlichen Diskussion über die Medien und ihre Inhalte zu einer Stimme der Fernsehschaffenden werden und das Bewusstsein für die kreativen und künstlerischen Leistungen derjenigen, die die Fernsehprogramme gestalten, fördern und stärken.

Zweck laut Satzung der DEUTSCHEN AKADEMIE FÜR FERNSEHEN ist die Entwicklung des deutschen Fernsehens als wesentlichen Bestandteil der deutschen Kultur sowie der deutschen Kulturwirtschaft zu fördern und deren Vielfalt zu erhalten, das Gespräch und den Austausch von Ideen und Erfahrungen zwischen den deutschen Fernsehschaffenden insbesondere auch zwischen freiberuflichen und in Sendern festangestellten anzuregen, zu stärken und zu pflegen, den Diskurs zu inhaltlichen und wirtschaftlichen Aspekten des deutschen Fernsehens zu führen.

Dazu werden öffentliche Veranstaltungen zu kulturellen, politischen und wirtschaftlichen Themen im audiovisuellen Bereich organisiert, Weiterbildungsveranstaltungen für im audiovisuellen Bereich tätige Personen unter Leitung von Mitgliedern des Vereins oder externen Experten durchgeführt, und die Verleihung einer Fernsehauszeichnung, gegebenenfalls mit noch zu bestimmenden Partnern, vorbereitet und durchgeführt.

Die Akademie hat ihren Sitz in Berlin und München. Sie wird allen kreativen Fernsehschaffenden mit langjähriger Erfahrung und besonderer Leistung bei der Herstellung deutscher Fernsehwerke aus den Bereichen Fiction, Non-Fiction, Unterhaltung und Journalismus offen stehen.
Ab 2024 ist der normale Beitragssatz € 180, in Ausnahmefällen ist er reduziert.

Bitte beachten Sie unsere angepassten Mitgliedsbeiträge ab Januar 2024.

Diese entnehmen Sie der aktualisierten Beitragssatzung unter https://daff.tv/wp-content/uploads/2023/09/Beitragsanpassung_Anlage3_MVDAfF_2023_final.pdf

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Michael W. Esser: Blockchain in der deutschen TV‑ und Filmbranche. Ein Teil der Lösung?

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Michael W. Esser: Blockchain in der deutschen TV‑ und Filmbranche. Ein Teil der Lösung?

Blockchain in der deutschen TV‑ und Filmbranche

Ein Teil der Lösung?

Michael Esser

Die traurige Wirklichkeit

Nach Jahren als sog. »kreativer Producer« durfte ich den Herstellungsleiter des Unternehmens für das ich damals arbeitete zu einer Kalkulationsverhandlung in einen ö/r Sender begleiten. Es war eine Erfahrung, die ich nicht vergessen werde. Um einen Eindruck zu vermitteln: Der Herstellungsleiter des Senders fand das Honorar des Kameramannes nicht akzeptabel, es lag höher als das, was der Sender für diese Position bezahlen wollte, oder durfte. Der Herstellungsleiter der Produktionsfirma erklärte, dass der Regisseur, den die Redaktion haben wollte, auf diesem Kameramann bestand. Und dieser Kameramann bestand auf seiner Gage. Man einigte sich schließlich darauf, ein paar Stellen für Strassenabsperrungen zu »erfinden«, damit das Geld für den Kameramann zusammenkam. So – und schlimmer – ging das einen ganzen Tag lang, es war demütigend und deprimierend. Der Herstellungsleiter des Senders wies immer wieder darauf hin, dass der Preis für den Film doch sowieso schon feststand, da er bereits Wochen zuvor an »höherer Stelle« vereinbart worden war, zwischen dem zuständigen Redakteur, seinem Abteilungsleiter und dem dem Produzenten.

Story, Charaktere, oder etwa, ob der Kameramann der richtige für diesen Film sei, wurde nicht einmal auch nur erwähnt. Am Ende rief unser Herstellungsleiter den Chef der Firma an und verkündete stolz, dass mindestens 30 % »hängenbleiben« werden. Es war ein würdeloses und erbärmliches Schauspiel. Als ich darauf gegen Ende der Veranstaltung hinwies, sahen mich die beiden Kollegen an wie zwei schwerstens in Ko-Abhängigkeit verstrickte Familienmitglieder, die bei einem hoch neurotischen Psycho-Clinch erwischt worden waren. Auf die höheren Weihen der deutschen TV Produktion, ihre Finanzierung und eine Karriere in dem Unternehmen musste ich danach verzichten.Es ist mir nicht schwergefallen. Deutsche Produzenten verdienen nicht Geld, indem sie ihre Produkte auf dem Markt anbieten. Deutsche Produzenten verdienen Geld, indem sie dem auftraggebenden Sender eine Kalkulation vorlegen, die sie dann bei der Produktion unterlaufen.

Dieses entwürdigende System existiert seit Jahrzehnten, jeder weiss, dass und wie es funktioniert. Alle Beteiligten haben mehr recht als schlecht davon gelebt. Es hat Fernsehproduzenten zu den Abhängigen der Sender gemacht.

Nun, nach einer Pandemie, mitten in einem Krieg in Europa, einer Inflation, sowie angesichts der dramatischen, nicht stoppbaren Alterung der deutschen Gesellschaft, scheint dieses System zu bröckeln. Der Intendant von Europas größtem Fernsehsender, Norbert Himmler, sagt plötzlich Dinge wie: »Wir wollen, dass künftig mehr Verwertungsrechte bei den Produzenten bleiben. Wir müssen sehen, dass der Löwenanteil der dort geschaffenen Wertschöpfung auch an die kreativen Köpfe geht«[1] Das Problem: Dies ist kein Aufstoßen lang verrammelter Türen, um endlich frischen Wind in die Bude zu lassen. Es ist die panische Reaktion auf die überraschend schnelle Erosion eines Systems, das längst hätte abgeschafft gehört. Nun, da Finanzen knapp werden, der Wille der Bevölkerung, sich in absoluten Zahlen das teuerste öffentlich rechtliche System der Welt[2] zu leisten, rapide schwindet, es also dem Ende zugeht, zeigt sich: die jahrzehntelange Abhängigkeit hat schlimme Spuren hinterlassen. Um es mal mit den Bildern einer Familienserie zu sagen: Die Mutter, die jahrzehntelang ihren Sohn nicht loslassen wollte oder konnte, sieht nun, da »der Junge, der an die frische Luft muss« in seinen späten Fünfzigern ist, dass sie mit ihrem Klammern ein lebensunfähiges Psychowrack herangezogen hat, für den die aufgestoßene Tür ein Alptraum ist. Er will nicht da raus in die Welt, er will zurück in die warme, stickige Stube zu Mama; er ahnt, dass er hier zu Grunde gehen wird, und dieser unlösbare Konflikt löst einen Maelstrom an Gefühlen aus, die ihn vollends lähmen.

Was tun? Die Produzenten haben jahrzehntelang »auf Bestellung« gearbeitet, Kreativität war und ist keine notwendige Berufsvoraussetzung, im Gegenteil. Besonders die in den Spitzenpositionen der Konglomerate, die von den Sendern mit Produktionskontingenten versorgt worden sind, was sie zu Super Junkies macht, sitzen Trauergestalten, die in ihrem gesamten Berufsleben durch keinen kreativen Funken aus ihrer Bierruhe gerissen wurden, und trotzdem, oder gerade deshalb finden, dass sie in der deutschen Fernsehbranche immer »zur richtigen Zeit am richtigen Ort« waren, wie letztlich eine besonders pathetische dieser traurigen Gestalten in der selbstzufrieden Rückschau auf ein erfolgreich im Ststem verbrachtes Berufsleben in einem Artikel bekannt gab.[3]

Natürlich hat diese Raubwirtschaft weite Kreise gezogen: Den Produzenten blieb nichts anderes übrig, als dieselbe würdelose Behandlung, die sie von den Sendern erfuhren, an die Kreativen weiterzugeben, die sie brauchten, um Filme zu machen. Autoren, die eigene Ideen haben, gar ohne Auftrag ganze Drehbücher oder Serienkonzepte schreiben? Bitte nicht! Das unterminiert die Position des Redakteurs, der es sich in vielen Fällen nicht hat nehmen lassen, Autoren, einschließlich Angaben zur Kommasetzung, in die Feder zu diktieren, was sie von ihnen geschrieben haben wollen, wenn er es denn nicht gleich selber schreibt. Ich habe solche Szenen dutzendfach als »kreativer Producer« erlebt. Regisseure bekamen etwas mehr Freilauf, weil sie die Dompteure des Teams waren und damit den Redakteuren gegenüber eine gewisse Verhandlungsmacht hatten. Aber wenn mal einer versuchte wirklich »seinen/ihren Film« zu machen, und die Wünsche der Redaktion nicht dankbar entgegennahm und umsetzte, dann durfte der Kollege noch den Film zu Ende drehen, aber danach dann erst mal zehn Jahre für den betreffenden Sender nicht mehr arbeiten.

Vor ein paar Jahren kamen die Streamer nach Deutschland und erst mal gab es kurz dieselbe Eldorado Stimmung wie damals, als die privaten Sender ihre Pforten öffneten. Geld floss ins System, und es kam von Leuten, die einem nicht ständig reinquatschen, und auch mal junge Leute ranlassen wollten. Beides machte, so die Hoffnung, das Produzieren billiger. Aber diese Streamer kamen mit Controllern aus den USA, wo es schon immer darum ging, dass jeder Dollar, der ausgegeben wird, auch wirklich auf dem Bildschirm erscheint. Die Controller haben sich eine Zeitlang angesehen, wie Produzenten versprachen, was sie dann nur sehr teilweise umsetzten, eben so, wie sie es seit Jahrzehnten mit den Sendern hierzulande auch getan haben. Dann setzten die Controller die Daumenschrauben an, verlangten, dass ihr Geld auch wirklich in das jeweilige Produkt flösse, und/oder strichen die Budgets radikal zusammen. Und natürlich wollten auch die Streamer, genau wie die Sender zuvor, alle Rechte und zwar für immer. Das Eldorado wurde zum Leichenschmaus. Die deutschen Produzenten hatten und haben dem nichts entgegenzusetzen. Jahrzehntelang haben sie es versäumt, Kreative stark zu machen, Marken zu genieren, »Stars« zu machen, um es mal einfach zu sagen. Und diese Verhandlungsmasse fehlt ihnen nun an allen Ecken und Enden, um sich bei den Streamern auch nur ansatzweise durchzusetzen.

Was tun? Es bleibt nichts anderes als der lange, beschwerliche Weg über die Ebenen. Produzenten müssen Respekt, ihrer Arbeit gegenüber und vor allem vor der Arbeit der Kreativen, neu lernen. Dann, und auch nur dann, kann die deutsche TV‑ und Film-Community eines Tages durch die aufgestoßene Türe ins Freie treten.

Himmler hat richtig erkannt, was der wichtigste Aspekt dieses notwendigen Respekts ist: Die faire Verteilung und angemessene Beteiligung an den Einnahmen aller an der Produktion eines Films Beteiligten. Hier kann eine Technik helfen, die erst ein Jahrzehnt alt ist, aber in dieser Zeit in den Mittelpunkt der globalen Aufmerksamkeit gerückt ist. Blockchain.

Was ist Blockchain?

Die Blockchain-Technologie ist ein dezentralisierter und transparenter digitaler Mechanismus für jede Art von Transaktion zwischen Teilnehmern in jedem Bereich der Zusammenarbeit und Koordination. Berühmt wurde es im Zusammenhang mit digitalen Währungen wie Bitcoin. Das zugrunde liegende Konzept von Bitcoin war und ist ein Finanzkreislauf ohne zentrale Kontrolle. Blockchain ermöglicht Transaktionen direkt zwischen Teilnehmern und trägt so zur Demokratisierung der Teilhabe am Wirtschaftsgeschehen bei. Blockchain stellt gemeinsam genutzte und vollständig transparente Informationen bereit, die in einem unveränderlichen Register gespeichert sind, auf das nur berechtigte Netzwerkmitglieder zugreifen können. Ein Blockchain-Netzwerk kann Bestellungen, Zahlungen, Konten, Produktionsabläufe und ‑ergebnisse und vieles mehr verfolgen.

Alle Netzwerkteilnehmer haben Zugriff auf das Register und die unveränderliche Aufzeichnung jeder Transaktion. Sie können alle Details einer Transaktion einsehen. Kein Teilnehmer kann eine Transaktion ändern oder manipulieren, nachdem sie im gemeinsamen Register aufgezeichnet wurde. Regeln – Smart Contracts genannt – können in der Blockchain gespeichert und automatisch ausgeführt werden. Ein Smart Contract kann z.B. Bedingungen für die Zahlung eines Honorars oder eines Anteils an Verkaufserlösen definieren, oder auch die Freigabe oder Sperrung von Datenquellen auslösen.

In den 14 Jahren seit der ersten Veröffentlichung zur Blockchain hat sich gezeigt, dass die Technologie weit mehr kann, als nur als Betriebssystem für digitale Währungen zu dienen. Blockchain ermöglicht ein »Internet der Werte«, und der Begriff lässt sich um ideelle Werte erweitern. Beispielsweise nutzt UNHCR, das UN-Flüchtlingshilfswerk, seit 2022 Blockchain-Verfahren, um Flüchtlingen Geld für Lebensmittel zur Verfügung zu stellen, und verhindert so, dass Warlords und andere illegale Begünstigte eingreifen und von der Transaktion profitieren.[4]

Kann die Blockchain-Technologie in der Fernseh‑ und Filmbranche eingesetzt werden?

Die Blockchain-Technologie hat das Potenzial, grundlegend in die Arbeitsweise der Fernseh‑ und Filmindustrie einzugreifen, insbesondere in drei Bereichen: Faire Beteiligung Kreativer, faire Auswahlverfahren in Finanzierung und Förderung, und Einbindung von Zuschauern in Programmentscheidungen.[5]

Ziel 1: Verteilung der Einnahmen unter den an einer Produktion beteiligten Kreativen

Eines der wichtigsten Probleme für Kreative in der Fernseh‑ und Filmbranche ist die ungleiche Verteilung der Einnahmen aus der Produktion. Traditionell haben Studios, Verleiher und Sender die Macht zu entscheiden, wie die Einnahmen zugeteilt werden, was Autoren, Schauspielern und anderen Kreativen oft lediglich einen Bruchteil der Gewinne überlässt. Durch den Einsatz der Blockchain-Technologie kann die Verteilung der Einnahmen transparenter und gerechter gestaltet werden. Smart Contracts können verwendet werden, um sicherzustellen, dass alle Beteiligten an einer Produktion basierend auf ihren Beiträgen fair entlohnt werden.

In vielen Ländern Europas haben ö/r Fernsehsender die Fernseh‑ und Filmproduktionsbranche historisch dominiert. Nach dem Ende des Faschismus in Europa wollten Gesetzgeber einen starken und unabhängigen öffentlichen Mediensektor schaffen. Dies führte zu einer Produktionslandschaft, die Jahrzehnte von öffentlichen Netzen abhängig war, insbesondere von solchen, die durch unabhängig von der Regierung erhobene Beiträgen finanziert wurden.

Aufgrund ihrer marktbeherrschenden Stellung forderten ö/r Sender, dass Produzenten alle Rechte an ihren Produktionen aufgeben, wenn sie für sie Inhalte produzieren. Diese Praxis hinderte die Produzenten daran, wirtschaftliche Unabhängigkeit zu erreichen, und überließ den öffentlichen Netzwerken die Kontrolle über die Inhalte sowie darüber, wie und wo sie verbreitet wurden. Im Gegenzug konnten Kreative keine Rechte an ihrer Arbeit behalten, was zu einer Landschaft führte, in der Kreativität sich nur ungenügend entwickeln konnte. Die notwendige Systemwende bedeutet, Sendern volle Transparenz über ihre Einnahmen mit einem Werk aufzuerlegen und damit eine gerechte Verteilung dieser Einnahmen an Produzenten und Kreative zu ermöglichen. Blockchain-Technologie kann Gleichheit und Fairness bei der Verteilung von Einnahmen schaffen. Intelligente Verträge können eingesetzt werden, um sicherzustellen, dass alle an einer Produktion Beteiligten eine faire Vergütung basierend auf ihren Beiträgen erhalten.

Die historische wirtschaftliche Dominanz öffentlicher Netzwerke in der Fernseh‑ und Filmbranche muss angegangen werden, und Blockchain-Technologie kann eine Rolle bei der Schaffung einer gerechteren und transparenteren Verteilung der Einnahmen spielen. Dies kann wiederum dazu beitragen, Kreativität zu fördern, Innovationen zu fördern und allen Beteiligten in der Branche zugute zu kommen.

Ziel 2: Verbesserung der Ergebnisse von Auswahlverfahren bei der Finanzierung und Förderung von TV‑ und Filmproduktionen

Am drastischsten zeigt sich die derzeitige Misere der TV‑ und Filmproduktionslandschaft in Deutschland bei den Entscheidungsprozessen der ö/r Sender bezüglich TV-Serien, Dokumentationen und Spielfilmproduktionen. Diese Prozesse sind eine Black Box. Die Kriterien, die in diese Entscheidungen einfließen, werden nicht veröffentlicht:

»Das Ergebnis ist, dass Produzenten und Kreative keine klare Vorstellung davon haben, was es braucht, damit ihre Arbeit akzeptiert und finanziert wird. Die ö/r Sender wiederum kontrollieren die Finanzierungssysteme für Fernseh‑ und Filmproduktionen. Sie haben Mitglieder in den Gremien der jeweiligen Förderinstitutionen, die sicherstellen, dass die Entscheidungen in ihrem Interesse getroffen werden. Diese Art der Einflussnahme kann die Vielfalt und Diversität der geförderten Produktionen sowie die kreative Freiheit der Filmschaffenden einschränken.«[6]

In den vergangenen 20 Jahren ist die Zahl der Zuschauer ö/r Sender in Deutschland kontinuierlich geschrumpft, das Durchschnittsalter der Zuschauer hat 60 Jahre überschritten. Dieser demografische Wandel führt dazu, dass die ö/r Sender nicht mehr behaupten können, dass ihre Entscheidungsprozesse die Wünsche der Mehrheit der deutschen Fernsehzuschauer widerspiegeln, wenn das denn jemals eine hinreichende Begründung gewesen ist. Die ö/r Sender halten heute ihre Position nur deshalb aufrecht, weil sie sich über eine Zwangsgebühr finanzieren, die jeder Bürger in Deutschland zahlen muss, egal ob er sie nutzt oder nicht.

Blockchain-Technologie kann einen Beitrag zur Verbesserung der Ergebnisse von Auswahlverfahren bei der Finanzierung und Förderung von TV‑ und Filmproduktionen leisten. Durch den Einsatz der Technologie können die Entscheidungsprozesse transparenter und demokratischer und die Finanzierungssysteme gerechter gestaltet werden.

Ein Beispiel für ein Unternehmen, das die Blockchain-Technologie zur Demokratisierung der Filmfinanzierung einsetzt, ist Decentralized Pictures über das weiter unten noch ausführlicher berichtet wird. Hier zunächst nur soviel: Diese Plattform ermöglicht es einer vielfältigen Benutzerbasis, ihre Stimme dazu zu erheben, welche Projekte einen der verschiedenen Wettbewerbe gewinnen sollten, die Decentralized Pictures hostet. In einer zweiten Phase können sich Investoren entscheiden, einzelne Filme gegen einen Anteil an den Einnahmen des Films zu finanzieren. Der Einsatz von Smart Contracts durch das Unternehmen stellt sicher, dass die Investoren, basierend auf dem Betrag, den sie zur Produktion beigetragen haben, angemessen entlohnt werden. Die Plattform von Decentralized Pictures ermöglicht es Filmemachern auch, mehr kreative Kontrolle über ihre Arbeit zu behalten, indem sie die Notwendigkeit traditioneller Vertriebskanäle beseitigt. Filmemacher können das Studiosystem umgehen und haben mehr Einfluss darauf, wie ihre Filme vermarktet und vertrieben werden.

Produzenten und Kreative müssen im ö/r Rundfunk berechenbare Partner haben, die mit ihnen gemeinsam medial gesellschaftlich relevante Ziele verfolgen. Auswahlverfahren können mit Hilfe von Blockchain verbessert werden, um sicherzustellen, dass jede Stimme zählt, dass die Anonymisierung einer Bewerbung garantiert ist, konsequent diverse Jurys eingesetzt werden, eine Erweiterung des einfachen Mehrheitsprinzips stattfindet sowie eine Einbeziehung von Lotterieverfahren, die unbekannten Talenten eine Chance gibt.

Die Blockchain-Technologie kann eine direkte Verbindung zwischen Filmemachern und Investoren herstellen, den Finanzierungsprozess rationalisieren und Filmemachern Zugang zu einem breiteren Pool von Investoren verschaffen. Durch den Einsatz der Technologie können Auswahlverfahren objektiver und transparenter werden. Dies wiederum kann zu einer vielfältigeren und integrativeren Medienindustrie führen, die die Werte und Interessen eines breiteren Spektrums von Menschen widerspiegelt und einer modernen demokratischen Gesellschaft wirklich würdig wäre.[7]

Zusammenfassend kann man sagen, dass der Einsatz der Blockchain-Technologie in der Medienbranche dazu beitragen kann, die Ergebnisse von Auswahlverfahren bei der Finanzierung und Förderung von TV‑ und Filmproduktionen zu verbessern. In Deutschland, wo ö/r Fernsehsender seit Jahrzehnten die TV‑ und Filmproduktionslandschaft dominieren, kann die Blockchain-Technologie einen wesentlichen Beitrag dazu leisten, Entscheidungsprozesse transparenter und demokratischer zu gestalten sowie ein gerechteres Finanzierungssystem zu schaffen. Mit dem Potenzial, die Medienbranche zu demokratisieren, kann die Blockchain-Technologie dazu beitragen, eine vielfältigere und integrativere Medienlandschaft zu schaffen, die die Werte und Interessen eines breiteren Spektrums von Menschen widerspiegelt.

Ziel 3: Dem Publikum die Möglichkeit geben, sich an Entscheidungen darüber zu beteiligen, welche Fernsehprogramme finanziert werden sollen

Eine weitere Möglichkeit, Blockchain in der Fernseh‑ und Filmindustrie einzusetzen, besteht darin, dem Publikum die Möglichkeit zu geben, an Entscheidungen darüber teilzunehmen, welche Fernsehprogramme finanziert werden sollen. Blockchain-Technologie kann dazu beitragen, mittelfristig Fernsehsender zu dezentralen Plattformen zu machen. Diese dezentralen Plattformen müssten und könnten zur eigenen Legitimation Zuschauern ein Mitspracherecht daran geben, welche Inhalte auf der Plattform stattfinden.[8] Dieses Konzept wurde kürzlich von Adam Mosseri, dem Chef von Instagram, in einem Interview mit Wired.com diskutiert. Mosseri ist seit 2018 CEO von Instagram. Unter seiner Führung hat Instagram mehrere neue Funktionen und Initiativen eingeführt: Als Verfechter einer verantwortungsvollen Technologienutzung hat Mosseri betont, dass Plattformen wie Instagram ihre Geschäftsziele mit dem Wohlergehen ihrer Nutzer in Einklang bringen müssen.

Mosseri glaubt, dass die Blockchain-Technologie das Potenzial hat, transparentere und demokratischere Systeme zu schaffen, die den Menschen mehr Kontrolle über ihre Online-Erfahrungen geben. Diejenigen, die Inhalte schaffen, müssen im Zentrum des Systemwandels, den auch er für unumgänglich hält, stehen. Die beste Plattform von morgen wird diejenige sein, die im Interesse ihrer Anwender mit ihrem Angebot die interessantesten Macher an sich binden kann. Im Zusammenhang mit der Fernseh‑ und Filmindustrie könnte dies bedeuten, den Zuschauern ein Mitspracherecht darüber zu geben, welche Programme erstellt werden, anstatt diese Entscheidungen in die Hände einiger weniger Führungskräfte zu legen.

Ein möglicher Weg, dies umzusetzen, wäre ein Blockchain-basiertes Abstimmungssystem, bei dem die Zuschauer Tokens oder andere digitale Assets verwenden können, um darüber abzustimmen, welche Fernsehprogramme sie sehen möchten. Blockchain kann die Transparenz und Genauigkeit des Abstimmungsprozesses sicherstellen, da jede Stimme in einem manipulationssicheren Verfahren aufgezeichnet wird. Dies kann dazu beitragen, einen demokratischeren und faireren Prozess für die Entscheidung zu schaffen, welche Programme finanziert werden, und Zuschauern eine Form von Beteiligung und Kontrolle geben.

Darüber hinaus kann dieser Ansatz Fernsehsendern ein wertvolles non-lineares Feedback geben, damit zur Schaffung demokratischerer und transparenterer Systeme beitragen, was letztendlich zu einem lebendigeren und vielfältigeren Programmangebot führt.[9]

Ein erfolgreiches Modell: Decentralized Pictures

Decentralized Pictures ist ein Blockchain-basiertes, gemeinnütziges Unternehmen, das den Filmfinanzierungsprozess in Hollywood hinterfragt und eine Alternative anbietet. Der Regisseur Steven Soderbergh und die Coppola Familie stehen hinter diesem Experiment. Decentralized Pictures« Plattform stellt eine direkte Verbindung zwischen Filmemachern und Investoren her, eliminiert Vermittler und rationalisiert den Finanzierungsprozess. Investoren können auf der Plattform einzelne Filme finanzieren und erhalten im Gegenzug einen Anteil an den Einnahmen des Films. Dieser Prozess eliminiert die Notwendigkeit großer Investitionen von einer ausgewählten Gruppe wohlhabender Investoren und öffnet den Pool potenzieller Investoren für einen breiteren Personenkreis.Decentralized Pictures verwendet intelligente selbstaktivierte Verträge, bei denen die Bedingungen der Vereinbarung zwischen Käufer und Verkäufer codiert werden, um sicherzustellen, dass die Investoren, basierend auf dem Betrag, den sie zur Produktion beigetragen haben, angemessen entschädigt werden. Dies sorgt für Transparenz und Sicherheit im Finanzierungsprozess und macht traditionelle Vermittler wie Banken und Anwälte überflüssig. Durch den Einsatz der Blockchain-Technologie befähigt Decentralized Pictures auch Filmemacher, mehr kreative Kontrolle über ihre Arbeit zu behalten. Durch den Wegfall traditioneller Vertriebskanäle können Filmemacher das Studiosystem umgehen und mehr Einfluss darauf nehmen, wie ihre Filme vermarktet und vertrieben werden. Dies ermöglicht es ihnen, ihrer Vision treu zu bleiben und ihre Geschichten einem breiteren Publikum zugänglich zu machen.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Decentralized Pictures die Blockchain-Technologie verwendet, um einen gerechteren und zugänglichen Finanzierungsprozess für Filme zu schaffen und gleichzeitig den Filmemachern mehr kreative Kontrolle über ihre Arbeit zu geben.[10]

Offene Fragen und Risiken

Trotz der potenziellen Vorteile des Einsatzes der Blockchain-Technologie in der Fernseh‑ und Filmbranche gibt es auch noch offene Fragen und Risiken. Eine der dringendsten Bedenken ist, ob der Blockchain-Technologie nach den jüngsten Skandalen und massiven Verlusten von Kryptowährungen prinzipiell vertraut werden kann. Eine Sorge, die in Diskussionen über Blockchain geäußert wurde, ist die Verbindung von Bitcoin und anderen Kryptowährungen mit Geldwäsche und illegalen Aktivitäten im Darknet. Dies ist zwar ein Missverständnis, unterstreicht aber die Notwendigkeit, das Thema mit Sorgfalt und Rücksichtnahme für alle Beteiligten anzugehen.

An verschiedenen Stellen macht sich »Ernüchterung« gegenüber Kryptowährungen und der Blockchain-Technologie im Allgemeinen breit, wie etwa Polina Khubbeeva jüngst in einem Beitrag auf netzpolitik.org konstatierte.[11] Blockchain wird weitgehend mit Kryptowährungen gleichgesetzt, viele Anleger haben durch Betrug und Hacks große Geldbeträge verloren und der Hype um die Technologie hat spürbar nachgelassen.

Darüber hinaus gibt es Fragen zur Skalierbarkeit der Blockchain-Technologie sowie Bedenken hinsichtlich der Umweltauswirkungen des Blockchain-Mining. Einige Experten befürchten auch, dass die Blockchain-Technologie dazu verwendet werden könnte, bestehende Machtungleichgewichte aufrechtzuerhalten, anstatt gerechtere Systeme zu schaffen.

Die Blockchain-Technologie gewährleistet die Unveränderlichkeit von Dateneingaben entlang komplexer globaler Lieferketten und erleichtert so die Kontrolle. Sie wird daher erfolgreich dort eingesetzt, wo es auf die Rückverfolgbarkeit solcher Ketten ankommt, beispielsweise in der Lebensmittelindustrie. Allerdings schützt die Technologie nicht vor Falschinformationen innerhalb der Dateneingaben: »Die Manipulation von Lieferketten ist nicht das Problem, die Eingaben werden in der Regel nicht manipuliert. Das Problem ist eher, dass Menschen in den Dateneingaben lügen: Aber auch das geht mit der Blockchain«, sagt etwa Michael Seemann vom Verband des Lebensmittelgroßhandels.

Auch der Vertrieb von Filmen und Serien ist ein komplexer Prozess; die an der Produktion Beteiligten müssen die Möglichkeit haben, diesem Prozess und vor allem seinen finanziellen Ergebnissen vertrauen zu können. Im Falle des Einsatzes von Blockchain-Tech bei der Verteilung von Erlösen aus TV-Produktionen könnte man als Absicherung im Hintergrund die Tatsache nutzen, dass sich ö/r Sender gegenüber dem Bundes- oder Landesrechnungshof für ihre Ausgaben und Einnahmen verantworten müssen. Dies wäre quasi der Garant dafür, dass keine »erfundenen« Abläufe in die Kette eingebaut werden können.

Tatsächlich haben kleine und lokale Systeme wie z.B. die Plattform Decentralized Pictures inzwischen bewiesen, dass sie funktionieren können. Decentralized hat ein halbes Dutzend Wettbewerbe durchgeführt. In diesen Wettbewerben hat die Nutzerbasis entschieden, wer die jeweiligen Preise gewinnt und überraschend »kluge« Entscheidungen getroffen. Das hat dazu geführt, dass sich jetzt Geldgeber für den Prozess und die Ergebnisse interessieren.

Insgesamt unterstreicht der Artikel von netzpolitik.org die Notwendigkeit von Vorsicht und sorgfältiger Überlegung bei der Implementierung der Blockchain-Technologie. Während diese Technologie ein großes Potenzial für die Schaffung eines dezentraleren und gerechteren Systems hat, gibt es auch Risiken und Herausforderungen, die angegangen werden müssen, um ihren Erfolg sicherzustellen.

Abschliessend

Unabhängig davon, ob und welche Wege beschritten werden, ist klar, es muss sich fundamental etwas ändern. Von der Öffentlichkeit in Form eines Beitrags finanzierte Fernsehsender müssen ihre Rolle in der Branche und in der Gesellschaft neu definieren. Anstatt jeden Aspekt der Produktion zu kontrollieren und den anachronistischen Versuch, Vertriebswege zu monopolisieren, sollten sich Sender als Knotenpunkte in Vertriebsnetzwerken verstehen. Sie sollten die Kreativen zu ihren Verbündeten machen, indem sie ihnen kreative Kontrolle geben. Das Votum über die Ergebnisse sollten sie den zahlenden Zuschauern überlassen. Damit dieses Votum Relevanz hat, muss es zu konkreten Entscheidungen führen, und diese können nur die Verteilung von Mitteln betreffen. Für ihre Vertriebstätigkeit sollten Sender, wie in anderen Sektoren der Wirtschaft auch, einen angemessenen Anteil am Ergebnis erhalten. Diese Verschiebung würde eine grundlegende Änderung der Funktionsweise von TV-Sendern erfordern, sie müssten ein erhebliches Maß an Kontrolle aufgeben. Langfristig wird es jedoch wahrscheinlich die Möglichkeit sein, in einer Branche, die zunehmend dezentralisiert wird, Akzeptanz der Zuschauer zu erhalten und damit Relevanz zu behalten.[12]

Die Fernseh‑ und Filmindustrie in Deutschland befindet sich an einem Scheideweg. Die Einführung der Blockchain-Technologie und die Neudefinition ihrer Rolle in der Branche können ö/r Fernsehsendern eine Schlüsselrolle bei der Gestaltung dieser Zukunft geben. Sie sollten sie ergreifen und frische Luft in das marode System lassen.

Dr. Michael Esser lebt und arbeitet als Drehbuchautor und Produzent in Los Angeles. Er gewann zahlreiche Drehbuch-Wettbewerbe und Preise in den USA und Deutschland, u. den deutschen Fernsehpreis. Michael arbeitete für Google als Content Analyst und zuvor für Fremantle Deutschland (UFA), wo er Serien und Fernsehfilme entwickelte und produzierte. Er promovierte an der TU Berlin, berät die EU Kommission in der Auswahl von Forschungsanträgen in Horizon 2020 und Marie Curie Stipendien. Er lehrte Content Development an der italienischen Filmakademie der UCLA und zuletzt an der Deutschen Filmuniversität »Konrad Wolf«

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LITERATURVERZEICHNIS

[1] Inflation: ZDF beteiligt sich an den Mehrkosten der Produktionsfirmen. https://www.dwdl.de/nachrichten/91765/inflation_zdf_beteiligt_sich_an_mehrkosten_der_produktionsfirmen/ (zuletzt abgerufen am 19.01.2023)

[2] https://de.statista.com/infografik/3150/rundfunkgebuehren-in-ausgewaehlten-laendern/

[3] https://www.maz-online.de/lokales/potsdam-mittelmark/ufa-gf-joachim-kosack-ueber-film-theater-und-seine-klage-gegen-die-brd-OZ53KFMWEVHINOYOZTA6O55FAY.html (zuletzt abgerufen am 19.01.2023)

[4] https://news.bitcoin.com/unhcr-launches-blockchain-payment-solution-to-support-ukrainians-displaced-by-war/

[5] https://www3.weforum.org/docs/39655_CREATIVE-DISRUPTION.pdf

[6] »The Future of Public Service Television: Broadening the Debate«, Des Freedman, International Journal of Digital Television, 2019 (https://www.researchgate.net/publication/365786243_A_Future_for_Public_Service_Television (zuletzt abgerufen am 19.01.2023)

[7] (Reif, J. A., & Wölfle, R. (2019). Blockchain as a governance mechanism in the German film industry. Journal of Media Business Studies, 16(2), 91-105.).

[8] Voigt, S. (2018). How Blockchain can revolutionize media and entertainment. Digital Innovation in Sports & Entertainment, 1-8.

[9] https://www.ted.com/talks/adam_mosseri_a_creator_led_internet_built_on_blockchain?language=en (zuletzt abgerufen am 19.01.2023)

[10] (DCP Evaluation Platform – Whitepaper by Leo Matchett https://drive.google.com/file/d/16UegLDT0nG_pWr-Rf1hQ8RyuebO5Hkg2/view?usp=sharing)

[11] Polina Khubbeeva, Kryptowährungen und Blockchain: Die große Ernüchterung? https://netzpolitik.org/2023/kryptowaehrungen-und-blockchain-die-grosse-ernuechterung/

[12] Hettler, U. (2020). The role of public service broadcasters in the age of digital disruption: A German perspective. International Journal of Digital Television, 11(2), 189-205.