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Die DEUTSCHE AKADEMIE FÜR FERNSEHEN soll in der öffentlichen Diskussion über die Medien und ihre Inhalte zu einer Stimme der Fernsehschaffenden werden und das Bewusstsein für die kreativen und künstlerischen Leistungen derjenigen, die die Fernsehprogramme gestalten, fördern und stärken.

Zweck laut Satzung der DEUTSCHEN AKADEMIE FÜR FERNSEHEN ist die Entwicklung des deutschen Fernsehens als wesentlichen Bestandteil der deutschen Kultur sowie der deutschen Kulturwirtschaft zu fördern und deren Vielfalt zu erhalten, das Gespräch und den Austausch von Ideen und Erfahrungen zwischen den deutschen Fernsehschaffenden insbesondere auch zwischen freiberuflichen und in Sendern festangestellten anzuregen, zu stärken und zu pflegen, den Diskurs zu inhaltlichen und wirtschaftlichen Aspekten des deutschen Fernsehens zu führen.

Dazu werden öffentliche Veranstaltungen zu kulturellen, politischen und wirtschaftlichen Themen im audiovisuellen Bereich organisiert, Weiterbildungsveranstaltungen für im audiovisuellen Bereich tätige Personen unter Leitung von Mitgliedern des Vereins oder externen Experten durchgeführt, und die Verleihung einer Fernsehauszeichnung, gegebenenfalls mit noch zu bestimmenden Partnern, vorbereitet und durchgeführt.

Die Akademie hat ihren Sitz in Berlin und München. Sie wird allen kreativen Fernsehschaffenden mit langjähriger Erfahrung und besonderer Leistung bei der Herstellung deutscher Fernsehwerke aus den Bereichen Fiction, Non-Fiction, Unterhaltung und Journalismus offen stehen.
Ab 2024 ist der normale Beitragssatz € 180, in Ausnahmefällen ist er reduziert.

Bitte beachten Sie unsere angepassten Mitgliedsbeiträge ab Januar 2024.

Diese entnehmen Sie der aktualisierten Beitragssatzung unter https://daff.tv/wp-content/uploads/2023/09/Beitragsanpassung_Anlage3_MVDAfF_2023_final.pdf

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Empfänger: Deutsche Akademie für Fernsehen e.V.
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Reformmodell: Medieninnovationsfonds

Reformmodell: Medieninnovationsfonds

Die Bundesregierung hat bereits im „Medien- und Kommunikationsbericht 2018“ die Finanzierung unabhängiger privater Medienproduktionen aus Beitragsgeldern in Form eines Medieninnovationsfonds vorgeschlagen:

„Der öffentlich-rechtliche Funktionsauftrag (v.a. zur Gewährleistung von Meinungsvielfalt, Qualitätsjournalismus, verlässlichen/ unabhängigen Informationen, Regionalität) muss schließlich nicht zwingend allein durch herkömmliche Rundfunk-Angebote und nicht zwingend nur von den Rundfunkanstalten selbst eingelöst werden: als weiteres Element einer konvergenten Medienordnung könnte man bspw. Einen Medieninnovationsfonds schaffen, durch den ein Teil des Rundfunkbeitrages auch für die Finanzierung unabhängiger privater Medienproduktionen eingesetzt wird. So könnte es auch Anbieter:innen und Produzent:innen journalistisch-redaktioneller Inhalte außerhalb des jetzigen öffentlich-rechtlichen Rundfunksystems ermöglicht werden, an der öffentlich-rechtlichen Finanzierung von Public-Value-Inhalten teilzuhaben und sonst nicht finanzierbare kreative oder investigative Beiträge zur Meinungsbildung bereitzustellen.“

Die DAFF hat, gemeinsam mit anderen Verbänden und Institutionen den Vorschlag der Einrichtung eines solchen senderunabhängigen Medieninnovationsfonds aufgegriffen, etwa in unseren 10 Thesen zur Zukunft der Medienordnung oder in unseren fünf Thesen für die Einrichtung eines Medienkonventes.

In zwei Podiumsdiskussionen haben wir das Thema 2021 und 2022 intensiv behandelt:

Wir glauben, dass ein solcher Fonds dazu dienen kann, wesentliche gesellschaftliche Impulse zu setzen und inhaltliche Lücken im bestehenden Mediensystem zu füllen. Gleichzeitig soll er schnell und effizient innovative

·        Auswahlverfahren
·        Produktionsmodelle
·        Auswertungsstrategien
·        Lizenzmodelle
·        Vergütungsmodelle
·        Evaluierungsmechanismen

entwickeln und erproben, die vor allem für den digitalen Raum gedacht sind. Ein Medieninnovationsfonds soll diese eklatante Leerstelle rasch konzeptionell füllen und zukunftsweisende Ideen in einer Art Reallabor explorieren. Dabei würde ein „Reallabor“ bedeuten, wirklich den Mut zu haben, neue Verfahren unmittelbar in der Praxis testen zu können, diese Verfahren andererseits aber auch fortlaufend zu evaluieren und anzupassen.

Seit Anfang 2022 hat eine etwa 20-köpfige Arbeitsgruppe in der DAFF konzentriert an der inhaltlichen Weiterentwicklung des konzeptionellen Rahmens gearbeitet. Erste Erfolge konnten dabei auch im Dialog mit einigen Mitgliedern der Rundfunkkommission der Länder insofern erzielt werden, als dass die Grundidee eines solchen neuen Instrumentes „Medieninnovationsfonds“ Eingang in die medienpolitische Debatte fand. Wir freuen uns über erste Resonanzen Erfolge, sehen allerdings nach wie vor großen Bedarf, das Thema weiter voran zu bringen.

Wie so ei Modell aussehen könnte, beschreibt DAfF Vorstandsmitglied Thorolf Lipp in einem Beitrag für den DAfF Sammelband „Medienzukunft 2025“:

 

Thorolf Lipp

Ein senderunabhängiger ö/r Medieninnovationsfonds (MEDIFO) löst viele Probleme gleichzeitig

Wenn Sie, als medienpolitisch interessierter Leser*in, davon überzeugt sind, dass sich der in mehreren Jahrzehnten aufgelaufene Reformstau des ÖRR durch ein, zwei Novellen des Medienstaatsvertrages abtragen lässt, dann müssen Sie diesen Betrag nicht unbedingt weiterlesen. Möglicherweise sehen Sie ARD, ZDF & Co. als das künftig vielfältige, schlanke, effiziente, transparente, nachhaltige, kommunikations- und innovationsfreudige und demokratiestärkende Online-Medium von Bürger*innen für Bürger*innen schon vor sich.

Sollten Sie aber Grund zur Annahme haben, dass sich selbst durch beherzte Reformen die eigentlich notwendige Innovationsdynamik angesichts der institutionellen Trägheiten der Supertanker ARD, ZDF & Co. nicht entfalten wird, dann freue mich, wenn Sie dranbleiben und mich einen Vorschlag entwickeln lassen, der das Problem mal von einer ganz anderen Seite sieht. Meine zentrale These lautet: alleine durch die ein oder andere Gesetzesnovelle wird sich an zentralen systemischen Schwachstellen unseres ö/r Mediensystems so schnell nichts ändern. Institutionelle Pfadabhängigkeiten und emotionale Befindlichkeiten sowie Ängste maßgeblicher Akteur*innen, die Comfort Zone zu verlassen, stemmen sich schon seit anderthalb Jahrzehnten mit aller Macht gegen einen raschen und tiefgreifenden Wandel vom Rundfunkmodell des 20. Jhs. zum Online-Medium der Zukunft. Mit dieser Einschätzung bin ich keineswegs alleine und darüber kann auch noch so viel aktuelle Reform-PR der Anstalten nicht hinwegtäuschen[1].

Ich möchte daher für einen alternativen Vorschlag plädieren, der den Veränderungsprozess beschleunigen wird. Er berücksichtigt den Umstand, dass Veränderungen bei allen Betroffenen Ängste auslösen und Zeit brauchen. Er eröffnet aber andererseits auch die Chance, zu schnellen, mutigen und fundamentalen Reformen. Und er kann einen schnellen Impuls setzen, in dem er uns eine mögliche, und für ALLE Beteiligte bessere Zukunft rasch vor Augen führt und begehbare Brücken baut, die zunächst klein sind, aber schnell breiter werden können.

Ich spreche von der sofortigen Errichtung eines ö/r Medieninnovationsfonds als Neugründung. Eine Art Reallabor, finanziert mit 2% bis 5% der Beitragsmittel, aber vollkommen unabhängig vom institutionellen Ballast von ARD, ZDF und Co. Ein echter Neustart im Kleinen – dafür mit großer Wirkung.[2]

Veränderung braucht viel Zeit und löst Ängste aus
Aber kommen wir, bevor wir über Lösungsansätze sprechen, nochmal zum Problem zurück. Ich glaube, es reicht nicht aus, wenn die Rundfunkkommission den Auftrag nachjustiert, die Räte stärkt und schärfere Compliance-Regeln einführt, wenn es nicht gleichzeitig gelingt, dysfunktionale Pfadabhängigkeiten zu verlassen, die im 20. Jah. Ihre Berechtigungen gehabt haben mögen, jetzt aber einem wirklichen Neuanfang konsequent im Weg stehen. Dabei denke ich z. B. an:

  • kostenintensive Doppelstrukturen einschließlich ineffizienter Verwaltungsabläufe, die viel zu hohe laufende Kosten verursachen
  • zentralisierte Unternehmenskulturen, die die Autarkie der Programmacher stark einschränken, Fehlervermeidung vor Mut setzen und dadurch Experimentier- und Innovationsfreude systemisch im Weg stehen
  • eine ungebrochene Fixierung der Programmverantwortlichen auf Marktanteile bei gleichzeitiger Vernachlässigung der gesellschaftlichen Reichweite
  • überbordende Hierarchien, die nicht nur teuer sind, sondern auch innovationshemmende Burgwallmentalitäten und Besitzstandswahrungsdenken mit sich bringen
  • eine zu große Verflechtung von ARD, ZDF & Co. mit wirtschaftlichen Interessen und politischen Lesarten, die zu einer Einschränkung des Meinungsspektrums führt
  • intransparente Netzwerke und Abhängigkeitsverhältnisse zwischen den Auftraggeber*innen in den Anstalten und ausführenden Tochterfirmen sowie insbesondere den großen Produktionsunternehmen, die Innovation und Vielfalt verhindern
  • menschlich nachvollziehbare Ängste vor Status-, Einkommens- und Bedeutungsverlust derjenigen, die besondere Privilegien innerhalb des Systems genießen und daher grundlegende Reformen innerlich ablehnen
  • ein überfordertes Rätesystem, das weder Gesellschaft adäquat abbildet, noch über ausreichend Fachexpertise verfügt, um den jüngst noch weiter gewachsenen Aufgaben gerecht zu werden
  • zu viele teure Liegenschaften, die Status zementieren, aber aufgrund schlankerer Produktionsweisen, künftigen Synergien und Auftragsvergabe nach außen schon jetzt nicht mehr benötigt werden und künftig noch überflüssiger sind
  • und schließlich eine äußerst träge und vorsichtig agierende Rundfunkkommission der Länder als politische Aufsicht, die von Partikularinteressen zerrissen ist und als echte Appellationsinstanz nur sehr zögerlich ins Agieren kommt

Alle hier genannten Aspekte sind lange bekannt. Aber unter weitgehender Vernachlässigung eigentlich gut erforschter sozialpsychologischer Dynamiken von Change-Prozessen tut man so, als sei es ohne weiteres möglich, ein veraltetes System quasi über Nacht zu reformieren. Es steht dabei die Annahme im Raum, man müsse nur endlich die richtigen inhaltlichen Rezepte und Ideen dafür haben. Tatsächlich gibt es ja seit Jahren, von außen wie von innen kommende, zum Teil sehr weitsichtige Reformvorschläge und -ideen. Trotzdem hat sich in der Vergangenheit keine rechte Reformdynamik entwickelt. Warum? Ein guter Teil der Antwort lautet: Es gibt kein Erkenntnis-, sondern ein Umsetzungsproblem. Und genau hier liegt das Problem. Wir haben 70 Jahre lang gelernt, mit dem Anstaltssystem in seiner jetzigen Form zu leben. Es ist „too big to fail“. Anders gesagt: An dem Ast, auf dem man sitzt, sollte man besser nicht sägen. Die Sozialpsychologie weiß, wie schwierig diese Haltung zu überwinden ist. Was also tun?

Vorwegnehmen möchte ich, dass ich, auch aus eigener Anschauung, durchaus Verständnis für die verschiedenen Zwickmühlen habe, in der sich Entscheider*innen in Anstalten und Politik befinden.[3] Ich sehe manche Reformbemühungen, sehe aber auch, dass diese längst nicht weit genug gehen – womit wir wieder bei den Pfadabhängigkeiten wären, die ein grundsätzliches Infragestellen der Strukturen so lange verhindern wie es irgend geht. Ich will allerdings auch zugeben, dass ich skeptisch bin, was Rufe nach allzu radikalen Veränderungskonzepten anbelangt, etwa der Idee eines letztlich neoliberal gedachten Gesundschrumpfens und der Fokussierung auf den Kernauftrag Information, Bildung und Beratung. Ich sehe nämlich nicht, dass alleine an Fokussierung und am politikseits erwünschten Drehen der Kostenschraube der Vertrauensverlust, den die Anstalten erfahren haben, aufgehalten werden kann. Eher glaube ich, dass das dann der Anfang vom endgültigen Ende dieses im Kern richtigen Systems sein könnte. Die Gründe für die Krise haben längst nicht nur mit der Höhe des Rundfunkbeitrages oder der ein oder andere Schlesingerei zu tun. Sie sind weit vielfältiger und verlangen daher nach umfassenderen Reformen. Will man ARD, ZDF & Co. erhalten, spricht insgesamt sehr viel dafür, den in den letzten Jahren eingeschlagenen Reformkurs beizubehalten und die oben skizzierten Problemfelder sukzessive auf- und abzuarbeiten. Zumal der Teufel oft im Detail steckt, wie gleich noch evident werden wird.

Aber: alleine diesen Weg zu beschreiten wird zu lange dauern. Zeit, die wir, angesichts offenkundiger Krisen unserer Öffentlichkeit, nicht mehr haben. Alle künftigen Reformvorschläge werden noch viele, psychologisch verstehbare, Ängste und Widerstände auslösen die weitere, unzählige Debatten, Kompromisse und Umwege erforderlich machen. Gute Ideen gibt es viele, mittelfristig werden die meisten davon jedoch steckenbleiben, weil es außerhalb der Anstalten kaum Ressourcen gibt, Reformideen wirklich gründlich zu durchdenken oder diese dann auch politisch durchzusetzen, wenn sie irgendjemandem weh tun. Und innerhalb der Anstalten tut man sich mit Reformen seit geraumer Zeit ohnehin schwer und ich sehe nicht, weshalb sich das jetzt auf einmal ganz schnell ändern sollte. Weil aber ein guter Teil des symbolischen Kapitals von ARD, ZDF und Co. aufgezehrt scheint, wird so ein langwieriges Verfahren möglicherweise nicht reichen, um die ö/r Grundidee wirkungsvoll wiederzubeleben. Dabei ist es genau das, was jetzt dringend brauchen. Es geht am Ende um die Weiterentwicklung einer Idee und nicht um den Erhalt einer Institution. Idealerweise jedoch ist beides möglich und eine heftige Disruption bleibt uns erspart. Das wäre, angesichts der überbordenden Krisenhaftigkeit unserer Zeit, die mit Abstand beste Lösung.

 

Der MEDIFO nimmt große Strukturreformen im Kleinen vorweg und setzt unverkennbare inhaltliche Akzente

Die jahrelange Debatte um Auftrag und Struktur der ö/r Anstalten hat gezeigt, dass das ö/r Mediensystem in seiner Gesamtheit nicht schnell genug reformierbar ist, um den dringenden Erfordernissen unserer unter Stress stehenden Demokratie gerecht zu werden. Ein innovativer und gleichwohl praxisorientierter Lösungsansatz, um diesen Reformstau nachhaltig und schnell aufzulösen, besteht daher darin, einen Teil der eigentlich erforderlichen, durchgreifenden Strukturreformen und inhaltlichen Impulse zunächst in einem Medieninnovationsfonds (MEDIFO) umzusetzen, der wie eine Art Reallabor konzipiert ist. Durch dieses Reallabor wird es möglich, ein ö/r Mediensystem für das 21. Jahrhundert ohne den institutionellen Ballast und hemmende Pfadabhängigkeiten von ARD, ZDF & Co. komplett neu zu denken. Der MEDIFO stellt insofern nichts anderes dar als eine praktische Machbarkeitsstudie. Durch MEDIFO kann der Beweis erbracht werden, dass ganz neue Strukturen in der Realität funktionieren und für die demokratische Öffentlichkeit und Medienschaffende gleichermaßen einen echten Mehrwert mit sich bringen. Was sichtbar im Kleinen funktioniert macht Mut, baut Ängste ab und kann anschließend dort auf ARD, ZDF & Co. übertragen werden wo es sinnvoll ist. Die Einrichtung eines MEDIFO birgt daher die Chance, einen Reformprozess der „zwei Geschwindigkeiten“ auf den Weg zu bringen.

Was zuallererst in einem MEDIFO notwendig ist, sind neu gedachte, gerechte und demokratische Strukturen, die auf einer gemeinsamen Vision basieren: der Erfüllung des Auftrages, der dazu dient, ein auskömmliches Miteinander in unserer Gesellschaft zu befördern. Dafür braucht es neben mehr Bürger*innendialog einen grundlegenden Systemwechsel, der die Mitarbeiter nicht länger in ein ungerechtes Vier-Klassen-System zwängt: überbezahlte Hierarchen, sehr gut bezahlte Festangestellte (die meist mit der Programmerstellung nur indirekt zu tun haben), mäßig vergütete Feste Freie, und, am Ende der Nahrungskette, oft unter prekären Bedingungen arbeitende freie Produzent*innen, Regisseur*innen und Autor*innen. Diese Dynamik animiert zu Großmannssucht auf der einen und Gefallsucht sowie Duckmäusertum auf der anderen Seite. Beides ist kontraproduktiv für ein demokratisches Mediensystem, dem es nicht nur mit Blick auf die von ihm hervorgebrachten Inhalte, sondern auch auf die Form der Institution selbst, um ganzheitlichen „Public Value“ gehen müsste, wie jüngst der Medienwissenschaftler Hermann Rotermund in seinem Buch „Nach dem Rundfunk“ trefflich analysiert hat.[4] Ein Anspruch, den ARD, ZDF und Co. auf vielen entscheidenden Ebenen derzeit nicht einlösen. Notwendig ist daher ein ganz neu gedachtes, effizientes System der Direktbeauftragung von Medienmacher*innen mit flachen Hierarchien, innovativen Auswahlverfahren und Evaluierungskriterien, einer Trennung von Beauftragung und dramaturgisch-redaktioneller Betreuung sowie neu gedachten Vergütungs- und Lizenzmodellen, die eine nachhaltige, gemeinwohlorientierte Nutzung durch die Bürger*innen sicherstellen. Sollte das gelingen, wäre schon sehr viel gewonnen.

Der MEDIFO muss aber auch unverkennbare inhaltliche Akzente setzen. Angesichts der Herausforderungen unserer krisenhaften Zeit braucht es exzellent recherchierte, dem Gemeinwohl verpflichtete Medien zu den entscheidenden Themen Klimaerwärmung und Umweltzerstörung, Nachhaltigkeit und Downsizing, Migration und ihre Folgen, Chancen und Herausforderungen von Vielfalt, Vertrauensverlust und Demokratiekrise und schließlich den programmlich grotesk vernachlässigten Themenbereichen Wissenschaft und Bildung. Dass heute YouTube die mit Abstand am häufigsten frequentierte Plattform für audiovisuelle Wissensangebote ist dürfte niemanden froh machen und zeigt, wie ungenügend das ö/r System an dieser ganz zentralen Stelle seinen Auftrag erfüllt.

Der MEDIFO soll zunächst also themenzentriert sein und wesentliche gesellschaftliche Impulse für zentrale Zukunftsthemen setzen. Der MEDIFO finanziert im Rahmen eines neuartigen Vergabeverfahrens (s. u.) in sich abgeschlossene Medienvorhaben: nonfiktionale journalistische und dokumentarische Formate und entsprechende crossmediale Mischformen für alle Ausspielformen. Außerdem gefördert werden fiktionale oder semifiktionale Kurz-, Animations-, Experimental- und Kurzfilme (auch für Kinder), auch crossmedial, die einen inhaltlichen Bezug zu den genannten Themenschwerpunkten haben. Gerade solche Medien entfalten oft große künstlerische Kraft, fallen aber aus so gut wie allen konventionellen Verwertungsmustern und Sendeschemata heraus, weswegen sie kaum noch stattfinden. Eine nachhaltige Stimulation dieser Genres durch den MEDIFO ist daher ein großer Gewinn nicht nur für Kunst und Kreative, sondern hätte das Potential, eine Rolle als gesellschaftlicher Innovationstreiber einzunehmen. Dass dies genau mit der Kombination dieser Medienformen trefflich gelingen kann, beweist übrigens seit Jahrzehnten das National Filmboard of Canada, das meinen Überlegungen hier in mancherlei Hinsicht als Vorbild dient[5].

Derzeit bildet sich die Dringlichkeit der genannten Themen in keiner Weise in den Ressourcen ab, die die ö/r Anstalten dafür bereitstellen: Der Anteil der für eine funktionierende demokratische Öffentlichkeit besonders relevanten journalistischen und dokumentarischen Formate beträgt pro Jahr nur ca. 1,5% der kumulierten Gesamteinahmen von ARD, ZDF & Co., in aller Regel werden sie von freien Produzent*innen hergestellt.[6] Nimmt man noch Nachrichten, Auslandsberichterstattung und politische sowie kulturelle Magazine in TV und Hörfunk hinzu, die teilweise von den Anstalten selbst produziert werden, kommt man auf geschätzte 4% bis maximal 5% der Gesamteinnahmen, die ganz unmittelbar der „demokratischen Daseinsvorsorge“ dienen (vgl. dazu auch den Beitrag von Novy in diesem Band). Die spezifische Wissens- und Bildungsinhalte von ARD alpha, mit denen mit denen die ARD nominell den im Medienstaatsvertrag vorgesehenen „bundesweiten Bildungsauftrag“ abdeckt, lässt sich der federführende BR mit 25 Mio. EUR pro Jahr gerade einmal 0,27% von den mehr als 9 Mrd. EUR kumulierten Gesamteinnahmen kosten, Tendenz sinkend.[7] Die künstlerisch oft besonders innovativen Genres Kurzfilm, Animationsfilm, Experimentalfilm etc. werden in den Statistiken gar nicht erst erfasst, Ihr Anteil an den Gesamteinnahmen liegt im Promillebereich.

Dieses absurd anmutende Missverhältnis von Systemkosten (55,7%) und den im engeren Sinne demokratiefördernden Aspekten der Auftragserfüllung (weniger als 5%) ist fraglos nicht im Sinne des ö/r Grundgedankens.[8] Da die hier in Rede stehenden Programme zu einem guten Teil von freien Produzent*innen zugeliefert werden und die KEF als Programmaufwand nur diejenigen Kosten für Produktionen wertet, die außerhalb der Anstalten entstehen,[9] können die hier behaupteten 5% und das daraus abgeleitete Missverhältnis zwischen Systemerhalt und Erfüllung des Kernauftrags der Anstalten kaum in Frage gestellt werden. Ein MEDIFO würde mit 2-5% der Beitragseinnahmen dieses besonders demokratiefördernde Spektrum der ö/r Medienproduktion rasch und sichtbar steigern, ja de facto annähernd verdoppeln. MEDIFO-Produktionen würden sich rasch zum Aushängeschild eines neuen Typs grün und sozialverträglich produzierter, inhaltlich wirklich unabhängiger ö/r Medien entwickeln und könnten dadurch zum Gütesiegel und zum Fanal eines ö/r Neuanfangs werden.

Ein konsequent ganzheitlich gedachter Public Value Ansatz zeigt sich in großen Strukturen und in kleinen Details
Ziel des MEDIFO ist ein wirklich gemeinwohlorientiertes neues System, das den Public Value Gedanken umfassend versteht (vgl. Rotermund 2021: 297ff). Im MEDIFO werden daher grundlegende Organisationsstrukturen genauso neu gedacht wie vermeintliche Details im Ablauf von Medienproduktionen, die in der bisherigen Debatte kaum je besprochen werden, obwohl sie extrem wirkmächtig sind. Ich denke dabei z. B. an Vergabeverfahren und Lizenzmodelle (s. u.). Innovationen in diesen Bereichen können im MEDIFO unmittelbar in der Praxis getestet, fortlaufend evaluiert und angepasst werden. Ein konsequent ganzheitlich gedachter Public Value Ansatz, mit ökologisch nachhaltigen Produktions- und Auswertungswegen ist das Leitmotiv des MEDIFO. Dazu zählen:

Kosteneffizienz
Die Mittel fließen in erster Linie ins Programm und nicht in die Verwaltung. Kosteneffizienz entsteht durch schlanke Strukturen und Direktbeauftragung der Medienmacher*innen. Die Verwaltungskostenquote liegt bei max. 8,5% statt bei ca. 25%–40% der ö/r Anstalten (s.o.).

Faire Vertragsbedingungen
Das derzeit gängige Modell zur Feststellung Allgemeiner Vergütungsregeln für Urheber*innen (GVR) kann angesichts der Übermacht des Oligopols von ARD, ZDF & Co.im Grunde nie wirklich zu Gunsten der Urheber*innen erfolgreich geführt werden, da GVR-Verhandlungen die finanziellen und personellen Kapazitäten der meisten Verbände, die diese GVR abschließen müssen, bei Weitem übersteigen. Aus einer aktuellen Stellungnahme der Urheberverbände geht hervor, dass von den ca. 116 prinzipiell notwendigen GVR in der deutschen Bewegtbildbranche derzeit gerade einmal 16 ausverhandelt, teilweise aber schon wieder deutlich veraltet sind. Es würde demnach 20 Jahre dauern, alle relevanten GVR lediglich für den Bereich Regie zu verhandeln, gleichzeitig hat eine GVR aber nur eine Gültigkeit von 2 Jahren. Es liegt daher auf der Hand, dass die derzeitigen Modelle, mit denen über die Frage angemessener Erst- und Folgevergütungen verhandelt wird, nicht ausreichend sind und weiterentwickelt, ggf. aber auch gänzlich neu gedacht oder zumindest ergänzt werden müssen. Ggf. auch über neue gesetzliche Vergütungsregeln, die in einem MEDIFO-Modell getestet werden könnten (vgl. dazu auch den Beitrag von Langer in diesem Band).[10]

Vollfinanzierung der Herstellung:
Das Finanzierungsmodell knüpft an die Grundüberlegungen des Gemeinwohl-Gedankens an: Möglichst Vollfinanzierung der Herstellung, so dass die Werke einer breiten deutschen Öffentlichkeit auf verschiedensten Ausspielwegen langfristig und rechtssicher zur Verfügung stehen. Statt komplizierter Co-Produktions- und Auswertungsmodelle, die insbesondere kleinere Produzent*innen benachteiligen und oft auf schnellen Quotenerfolg und Gewinnoptimierung zielen, werden Modelle der Vollfinanzierung präferiert, die den Medienmacher*innen mehr Planungssicherheit geben (vgl. dazu auch die Beiträge von Langer und Wesnigk in diesem Band).

Innovative Lizenzmodelle für größtmögliche Reichweite und Verlässlichkeit
Eine neu gedachte Vorab-Abgeltung insbesondere der nichtkommerziellen Nutzungsrechte auf der Grundlage eines fairen, branchenübergreifenden Konsenses sorgt für größtmögliche gesellschaftliche Reichweite der Produktionen. Dadurch entsteht ein wesentlicher gesellschaftlicher Mehrwert insbesondere auch für Bildung, Schule und Wissenschaft. Das National Filmboard of Canada verfährt seit vielen Jahrzehnten so und dient hier als Vorbild[11] (vgl. dazu auch den Beitrag von Wesnigk in diesem Band). So entstehen umfassend gedachte Ausspielwege, die breite Teilhabe ermöglichen und bei denen die produzierten Medien nachhaltig im kulturellen Gedächtnis verfügbar bleiben.

Innovative Auswahlverfahren, die für mehr Vielfalt und Fairness sorgen:
Ein neu gedachtes, teilrandomisiertes Jurysystem das Vielfalt (vgl. dazu auch den Beitrag von Choi, Dzeik und Winterberg in diesem Band), Fairness, Chancengleichheit und künstlerischen Mut gleichermaßen ermöglicht und Nepotismus, Matthäus-Effekte[12] und Prinzipal-Agenten-Dynamiken[13] bestmöglich eliminiert. Anders als in klassischen Redaktionssystemen wird die Beauftragung strikt von dramaturgischer Beratung und inhaltlicher Qualitätskontrolle getrennt, um die Einflussnahme auf Inhalte von Machtaspekten (erneute Auftragsvergabe) vollständig zu trennen.[14]

Bürger*innendialog und Bürger*innennähe
Ein ständiger Dialog mit den Beitragszahler*innen gelingt durch die Beteiligung von ausgelosten Bürgerräten bei zentralen kuratorischen Entscheidungen. Bürgerräte kommen ein- bis zweimal im Jahr zusammen, um eine Programmbewertung durchzuführen und Themen zu definieren, zu denen MEDIFO dann Ausschreibungen durchführt. So wäre die Wirksamkeit der Bürgerbeteiligung gewährleistet, ohne dass ein direkter populistischer Eingriff in den kreativen Prozess stattfindet. Hinzu kommt ein ständiger moderierter Dialog mit den Mediennutzer*innen durch innovative und effiziente Feedback- und Auswertungsstrategien auf verschiedenen Plattformen.

Experimentierfeld Blockchain
Parallel zu den hier genannten nichttechnologischen Strukturinnovationen könnte man sowohl bei Auswahl-, Bewertungs-, und Vergütungsmodellen auch mit ganz neuen technologischen Verfahren experimentieren. Michael Esser legt in seinem Beitrag in diesem Band überzeugend dar, wie z. B. blockchainbasierte-Verfahren eine spannende direktdemokratische Komponente eines künftig deutlich bürgernäheren Mediensystems darstellen könnten.

Unbürokratische und flexible Förderschienen, die den tatsächlichen Bedürfnissen von Medienmacher*innen Rechnung tragen:

  • Recherche- und Treatment-Förderung
  • Produktionsförderung
  • Postproduktionsförderung für bereits begonnene Projekte
  • Maßgeschneiderte Auswertungswege bzw. -förderungen. Abhängig von Form, Zielpublikum und geplanten Verbreitungsstrategien. Dabei spielen Kooperationen mit den Mediatheken der Anstalten, aber auch mit medien- und bildungspolitischen, gemeinwohlorientierten Einrichtungen (wie z. B. Bundeszentrale für politische Bildung, Grimme-Institut, Goethe-Institute, Schulkinowoche, Kinematheken), zivilgesellschaftlichen Gruppen und Akteur*innen eine wesentliche Rolle als Multiplikator. Sie begleiten und bewerben die nichtkommerziellen Veröffentlichungen. Diese Institutionen können aufgrund des neuartigen Lizenzmodells die entstandenen Medien für ihre eigene Arbeit weitgehend schrankenlos und rechtssicher nutzen und verbreiten (vgl. den Beitrag von Wesnigk in diesem Band).
  • In einer weiteren Förderschiene können sowohl Filmschaffende selber, aber auch andere Akteur*innen (z. B. Vertriebe, Kinos, zivilgesellschaftliche Gruppen) Förderung für innovative Vertriebsideen beantragen. Neben überzeugenden digitalen Konzepten können hier auch kuratierte Veranstaltungsreihen etc. gefördert werden, die den unmittelbaren Dialog mit den Beitragszahler*innen stärken.

Die neuen institutionellen Rahmenbedingungen: Direktbeauftragung von Medienmacher*innen jenseits von ARD, ZDF &Co.
Die innovative Grundidee des MEDIFO besteht in der Umsetzung eines Direktbeauftragungsmodelles von Medienmacher*innen. Diese Idee zieht seit Jahren weite Kreise: Akteur:innen wie der Wirtschaftswissenschaftler Justus Haucap,[15] der Kommunikationswissenschaftler Lutz Hachmeister[16] oder der Hamburger Kultursenator Carsten Brosda[17] können sich eine Direktbeauftragung in Form eines Medieninnovationsfonds prinzipiell vorstellen. Auch die Bundesregierung erwog im „Medien- und Kommunikationsbericht 2018“ die Finanzierung unabhängiger privater Medienproduktionen in Form eines Medieninnovationsfonds.[18] Warum ist eine Direktbeauftragung von Medienmacher*innen sinnvoll? Weil sie teure Hierarchien überflüssig macht und so deutlich mehr Mittel ins Programm fliessen können. Weil sie, durch neuartige Auswahlverfahren, den Auswahl- und Produktionsprozess demokratisiert. Weil sie die Vielfalt an Perspektiven und künstlerischen Zugängen erhöht. Wir erinnern uns: es geht um 2-5% der Beitragseinnahmen. Wagt man dieses Experiment, müssen ARD, ZDF und Co. fraglos weitere Mittel einsparen, sind aber keineswegs existenzgefährdet. Und sie würden ja auch nicht aus ihrer Verantwortung entlassen, den ihrerseits Funktionsauftrag zu erfüllen.

Wie soll das finanziert werden und ist das rechtlich möglich?
Analog zur Finanzierung der Landesmedienanstalten soll der Fonds aus dem Rundfunkbeitrag gespeist werden. Dazu ist eine Änderung des Rundfunkfinanzierungsstaatsvertrages notwendig. Es müssen aber keine neuen zusätzlichen Beitragsgelder zur Finanzierung bereitgestellt werden, vielmehr werden die Sender durch die Umwidmung der Mittel zu Sparanstrengungen gezwungen – so wie viele andere Unternehmen in Zeiten wirtschaftlicher Krisen auch. Genauso denkbar ist ein Zurückfahren der Mittel für die Landesmedienanstalten bzw. deren kostensparende Zusammenlegung, da die Rolle der Landesmedienanstalten ohnehin seit Jahren kritisch gesehen und teils sogar ganz in Frage gestellt wird. Vielleicht ist der Widerstand aus den Häusern gegenüber einer Verknappung des Etats gar nicht so groß, da man hier dann Zeit gewinnt, die eigenen institutionellen Strukturen zu reformieren. Medienpolitiker*innen und Bürger*innen würden rasch sehen, dass es sich um gut angelegtes Geld handelt, da frische Impulse binnen sehr kurzer Zeit sichtbar würden. Hier muss die Rundfunkkommission, analog zur Gründung von FUNK, das in der medienwissenschaftlichen Forschung als die gelungenste Medieninnovation der letzten Jahrzehnte beschrieben wird, schlicht den Mut haben, diesen Pfad der erzwungenen Neuerung erneut zu beschreiten.[19]

MEDIFO als schlanke und effiziente Stiftungsneugründung
Die Produktionsetats von MEDIFO sollen als Projektförderung direkt an Medienmacher:innen vergeben werden. Dies ist laut einem Gutachten des Berliner Verfassungsrechtlers Prof. Dr. Martin Eifert aus dem Jahr 2014 rechtlich grundsätzlich möglich.[20] Eine Arbeitsgruppe der AG DOK hat 2021 beim Leipziger Medienrechtler Prof. Dr. Hubertus Gersdorf eigens ein Folgegutachten in Auftrag gegeben[21] das die notwendigen Rechtsschritte für die Implementierung eines solchen Modells konkretisiert. Demzufolge ist eine bundesweite Vergabe- und Prüfstelle in Form einer neuen, eigenständigen und schlanken, gemeinnützigen Medienstiftung möglich und sinnvoll. Das bringt außerdem den Vorteil mit sich, daß das Stiftungsvermögen durch Zuwendungen von Dritten erhöht werden kann. Die Stiftung soll, in etwa analog zur Bundeskulturstiftung, einen max. Verwaltungskostenanteil von 8,5% haben und wäre damit ganz erheblich kostengünstiger als die bestehenden ö/r Anstalten. Der organisatorische Aufbau der MEDIFO-Stiftung könnte in etwa analog zur Bundeskulturstiftung erfolgen:

  • Stiftungsrat (ehrenamtlich – gegen Aufwandsentschädigung)
    Der divers besetzte Stiftungsrat ist das höchste Gremium der Stiftung. Er legt die inhaltlichen Leitlinien der Stiftungsarbeit fest und ernennt den Vorstand. Auf Vorschlag des Vorstands benennt der Stiftungsrat die Jurys, die über die Anträge in der Projektförderung entscheiden.
  • Bürgerräte (ehrenamtlich – gegen Aufwandsentschädigung)
    Ein einmal im Jahr einberufener Bürgerrat unterstützt den Stiftungsrat dabei, Themenschwerpunkte zu setzen, die im Rahmen von Projektausschreibungen umgesetzt werden. Dadurch wird ein zuletzt immer öfter geforderter und zunehmend besser erprobter direkter Transmissionsriemen in die Zivilgesellschaft aufgespannt.
  • Stiftungsbeirat (ehrenamtlich – gegen Aufwandsentschädigung)
    Ein Stiftungsbeirat, in dem sich Vertreter*innen von branchennahen Medien- und Kulturverbänden befinden, steht dem Stiftungsrat beratend zur Seite und verhandelt die “Terms of Trade” für die Beauftragung von MEDIFO-Produktionen. Diese orientieren sich an den bestehenden Tarifmodellen werden aber neue, gemeinwohlorientierte Akzente setzen. So entsteht mit Blick auf die Beauftragungsmodalitäten erstmals eine Konkurrenz zum derzeitigen ö/r Oligopol, was insbesondere für Medienmacher*innen von Vorteil sein wird (vgl. hierzu auch den Beitrag von Langer in diesem Band)
  • Vorstand (hauptamtlich)
    Der hauptamtliche Vorstand setzt, auf Grundlage der Satzung und in Rücksprache mit dem Stiftungsrat, die definierten Förderschwerpunkte um und veröffentlicht Ausschreibungen für bestimmte Programmschwerpunkte. Er wird unterstützt durch hauptamtliche Mitarbeiter*innen in den Bereichen Justiziariat, Projektprüfung, Verwaltung und Kommunikation.
  • Kuratorium (hauptamtlich)
    führt die Überprüfung der Förderanträge bei Eingang durch. Gemeinsam mit den Jurys besprechen die Mitglieder des Kuratoriums die einzelnen Anträge bei den Jurysitzungen. Kuratoriumsmitglieder haben keine Stimmberechtigung.
  • Divers besetzte Jurys (gegen angemessene Aufwandsentschädigung)
    Alle Projektanträge werden von divers besetzten Jurys beraten, die im regelmäßigen Turnus ausgewechselt werden. Das Jurymodell orientiert sich an den Grimme-Jurys, allerdings wird das Konzept erweitert, um eine größere Bandbreite an gesellschaftlichen Interessensgruppen abbilden zu können. Entscheidungen werden mit einfacher Mehrheit getroffen. Jedes Jurymitglied erhält pro Jurysitzung je einen Joker, mit dem er einmalig alle andere Jurymitglieder überstimmen kann. Zusätzlich sorgt, bei mehr förderfähigen Anträgen als Fördermitteln, ein innovatives Losverfahren für eine breitere Streuung der Entscheidung. Die Mitglieder der Jurys bestehen (je nach Förderschiene) aus Medienmacher:innen bzw. Journalist:innen und Fachwissenschaftler:innen bzw. Bildungsexpert:innen (vgl. dazu auch die Überlegungen von Wiedemann und Esch in diesem Band). Bei Kinder- und Jugendprogrammen sollen Jurys aus Kindern und/ oder Jugendlichen beratend hinzugezogen werden die medienpädagogisch betreut und begleitet werden.
  • Redakteur*innen als dramaturgisch-inhaltliche Berater*innen (hauptamtlich)
    Ein in aller Regel übersehenes Thema bei der Frage, wie sich ein ö/r Mediensystem zu reformieren ist, ist das Redakteurswesen. Dabei werden insbesondere hier eklatante Probleme sichtbar. Die Welt hat sich in den letzten beiden Jahrzehnten, nicht zuletzt durch die Folgen der Digitalisierung, ungeheuer schnell weiter ausdifferenziert. Redakteur*innen können, auch bei sehr viel Selbstreflexion und gutem Willen, am Ende doch immer nur sich selbst zum Maßstab für ihre Bewertungen nehmen und es ist unrealistisch anzunehmen, einige wenige Entscheider*innen könnten ein ausreichend gutes Gespür für die zigtausend neu entstehenden und auch wieder vergehenden Lebenswelten, subkulturellen Trends, Problemlagen oder Fachkontexte entwickeln. Viele namhafte Kenner*innen des Systems haben die diversen blinden Flecken des Redaktionswesens in den letzten Jahren immer wieder sehr treffend beschrieben.  Sie konstatieren dabei so gut wie nie gezielte Verschwörung oder Absicht zur Lüge. Vielmehr beschreiben sie die blinden Flecken von eingeübten sozialen Praktiken, unausgesprochene Prämissen darüber, was dem Zuschauer zumutbar ist, was er vermeintlich zu sehen wünscht, welche Themen, Formen und Ästhetiken bei ihm ankommen (vgl. Teusch 2018, Meinhardt 2020, Herles 2015, Hachmeister[22], vgl. auch Rollberg in diesem Band). Auch das Grimme-Institut beklagt regelmässig, dass redaktionelle Eingriffe im Effekt zu Nivellierung, Mittelmass und künstlerischer Mutlosigkeit führen[23]. Der Programmchef eines bedeutenden deutschen Nonfiction-Spartensenders meinte einmal zum Verfasser dieser Zeilen, seine Redakteur*innen „dengelten das Programm ein.“ Für ihn ein Ausweis höchster Qualität. Für den Verfasser hingegen Symptom dafür, dass man in solchen Redaktionen weniger an komplexen Zugängen zur Wirklichkeit, dafür an einheitlich gestrickten, audience-flow tauglicher „Ware“ interessiert ist. Ausweis aber auch von fehlender Selbstkritik, denn in Redaktionen geschehen ja immer wieder gravierende handwerkliche Fehler. Im MEDIFO-System spielen Redakteur*innen immer noch eine wichtige Rolle als inhaltliche und dramaturgische Berater*innen und können sich damit auf den Kernaspekt ihrer Tätigkeit fokussieren. Sie haben aber, anders als im derzeit üblichen Redaktionsverfahren, nicht mit der Auftragsvergabe zu tun, womit Matthäus-Effekte[24] und Prinzipal-Agenten-Konflikte[25] ausgehebelt werden. Mit anderen Worten: wenn Regisseur*in und Redakteur*in nicht die gleiche inhaltlich-dramaturgische Vision haben, oder die Chemie einmal nicht stimmt, bringt das keine Einschränkungen bei der nächsten Auftragsvergabe mit sich. Es soll um die Sache gehen, nicht um Sympathien oder Netzwerke. Die Autonomie der Medienmacher*innen wird gestärkt, das Programm wird demokratischer und vielfältiger.

Fazit:

MEDIFO ist als eine zusätzliche ö/r Schiene rechtlich ohne große Hürden umsetzbar. MEDIFO kann, anders als ARD, ZDF & Co., sehr rasch wirklich innovative inhaltliche Impulse und Public-Value-Maßstäbe setzen. Konkrete Veränderungen würden durch dieses zusätzliche und trotzdem kostenneutrale Medienangebot rasch öffentlich sichtbar. Für Politik und Beitragszahler*innen eine klassische Win-Win-Situation. Es kostet nichts, aber man merkt es trotzdem. Und für ARD, ZDF & Co. wäre so ein Schritt am Ende auch gut, denn die Anstalten müssen, wollen sie überleben, mittelfristig ohnehin effizienter, transparenter, bürgernäher und nachhaltiger werden. Hier gewinnen sie dafür sogar etwas Zeit, weil MEDIFO Dampf aus dem Reformkessel nimmt. Medienmacher*innen wiederum erlangen mehr kreative Freiheiten und erfahren durch ein neues, sozialverträgliches Vergütungsmodell eine deutliche Besserstellung. Dadurch bekommen ARD, ZDF und Co. Konkurrenz innerhalb des ö/r Universums was ihr Honorar-Oligopol bricht und am Ende trotzdem den Beitragszahler*innen zugutekommt. Denn wenn MEDIFO zeigt, dass man mit diesem Modell am Ende mehr Programm für’s Geld bekommt, obwohl Kreative deutlich besser bezahlt werden, dann haben überflüssige Strukturen auch bei ARD, ZDF und Co. keine Zukunft mehr.

Die weiter oben angesprochenen Rechtsgutachten müssen vertieft und konkretisiert werden. Aber auf dieser Rechtsgrundlage (§ 112 Medienstaatsvertrag) gibt es heute bereits in einzelnen Ländern gesetzliche Regelungen für eine Förderung unabhängiger Produzent:innen aus Rundfunkbeitragsmitteln für die Finanzierung von Qualitätsjournalismus auf regionaler und lokaler Ebene.[26] Im Grunde steht die Tür also offen. Was jetzt notwendig ist, ist der politische Wille, einen solchen Weg auch zu gehen.

 

Dr. Thorolf Lipp ist Kulturanthropologe, Produzent und Buchautor. Er ist seit vielen Jahren medienpolitisch tätig, war Vorstandsmitglied der AG DOK, Sprecher des Deutschen Medienrates und ist seit 2022 Vorstand der Deutschen Akademie für Fernsehen.

 

Literaturverzeichnis:

Herles, Wolfgang (2015): Die Gefallsüchtigen. Gegen Konformismus in den Medien und Polulismus in der POlitiuk. München, Knaus

Meinhardt, Birk (2020): Wie ich meine Zeitung verlor. Berlin, Verlag Das neue Berlin

Rotermund, Hermann (2021): Nach dem Rundfunk. Die Transformation eines Massenmediums zu Online-Medium. Köln, Herbert von Halem Verlag.

Teusch, Ulrich (2018): Lückenpresse. Frankfurt. Westend

[1] Vgl. dazu: https://www.turi2.de/aktuell/hoer-tipp-ard-pressemitteilungen-klingen-wie-pr-chatbot-sagt-claudia-tieschky/ (zuletzt aktuell am 28.06.2023). Zum PR-Sprech der Anstalten vgl. auch Rotermund 2021: 297ff.

[2] Seit 2021 arbeitet eine Arbeitsgruppe in der Deutschen Akademie für Fernsehen an der Entwicklung dieses Modells.

[3] Der Verfasser produziert seit mehr als 2 Jahrzehnten dokumentarische Langformate für ARD, ZDF & Co. Zwischen 2016 und 2020 war er im Namen der AG DOK für die Produzent*innenseite federführender Ideengeber und Organisator der ARD Programmwerkstatt zur Zukunft dokumentarischer Programme: https://agdok.de/de_DE/programmwerkstatt-nonfiction (aktuell zuletzt am 29.06.2023)

[4] https://www.halem-verlag.de/nach-dem-rundfunk/

[5] https://www.nfb.ca/ (aktuell zuletzt am 30.06.2023)

[6] Zu den Zahlen vgl. genauer: https://www.planet-interview.de/interviews/thorolf-lipp/52082/ (aktuell zuletzt am 26.06.2023)

[7] https://www.orh.bayern.de/images/files/Sonderberichte/Sonderbericht_FinSit_2022.pdf (S. 65ff.) (aktuell zuletzt am 29.06.2023)

[8] Laut dem 21. KEF Bericht fliessen 55,7% der Beitragseinnahmen in Gehälter, Altersvorsorge, Rücklagen, Investitionen und Unterhalt von Liegenschaften und Infrastruktur und haben mit der Erstellung von Programm nur indirekt zu tun. Unter diese 55,7% subsummiert die KEF aber auch teilweise Kosten von Eigenproduktionen, diese sind nämlich nur zum Teil im Programmaufwand enthalten. Sie werden

daneben auch aus dem Personalaufwand und dem Sachaufwand finanziert. Also fallen auch Kosten für festangestellte Mitarbeiter*innen, Infrastruktur, Liegenschaften etc. unter diese 55,7% die insofern indirekt doch mit der Erstellung von Programm zu tun haben. Insofern kann man die eigentliche Verwaltungskostenquote nur schätzen, sie dürfte aber immer noch zwischen 25 und 40% liegen.

Vgl.: 21.KEF-Bericht S. 80: https://kef-online.de/fileadmin/KEF/Dateien/Berichte/22._Bericht.pdf

[9] Ankauf fertiger Produktionen von Dritten, Erstellung von Koproduktionen und Auftragsproduktionen, Erwerb von Sende- und Übertragungsrechten, Leistungsvergütungen für freie Mitarbeiter, Vergütungen für Urheberrechts und Leistungsschutzberechtigte. Vgl.: 21.KEF-Bericht S. 80: https://kef-online.de/fileadmin/KEF/Dateien/Berichte/22._Bericht.pdf

 

[10] https://daff.tv/wp-content/uploads/2023/06/BVR-Stellungnahme-EU-Buyout-Honorare-E9-1.pdf (aktuell zuletzt am 29.06.2023)

[11] https://www.nfb.ca/ (aktuell zuletzt am 19.06.2023)

[12] https://de.wikipedia.org/wiki/Matth%C3%A4us-Effekt (aktuell zuletzt am 30.06.2023)

[13] https://de.wikipedia.org/wiki/Prinzipal-Agent-Theorie (aktuell zuletzt am 30.06.2023)

[14] Für mehr Informationen zum Jurymodell siehe: https://daff.tv/medienpolitik/reformmodell-medieninnovationsfonds/ (aktuell zuletzt am 30.06.2023)

[15] https://www.welt.de/kultur/medien/plus222450066/ARD-und-ZDF-Wie-der-Rundfunkbeitrag-sinnvoller-eingesetzt-werden-koennte.html (aktuell zuletzt am 29.06.2023)

[16] https://www.medienkorrespondenz.de/leitartikel/artikel/die-daemmerung-desnbspdualennbspsystems.html (aktuell zuletzt am 29.06.2023)

[17] https://www.youtube.com/watch?v=XREPnQD7bBs (aktuell zuletzt am 29.06.2023)

[18] https://daff.tv/wp-content/uploads/2023/06/2019-01-09-medienbericht-breg-2018-politischer-teil-data.pdf (aktuell zuletzt am 29.06.2023)

[19] https://www.medienanstalt-nrw.de/fileadmin/user_upload/NeueWebsite_0120/Zum_Nachlesen/Gutachten_Innovationslandschaft_Journalismus.pdf (aktuell zuletzt am 29.06.2023)

[20] https://daff.tv/wp-content/uploads/2023/06/Gutachten_Prof.-Dr.-Martin-Eifert_Rechtliche-Rahmenbedingungen-Foerderung-unabhaengiger-Produzenten-aus-Rundfunkbeitrag.pdf (aktuell zuletzt am 29.06.2023)

[21] https://daff.tv/wp-content/uploads/2023/06/210310_Gersdorf_Gutachten_Docs-fuer-Democracy_Eckpunkte.pdf (aktuell zuletzt am 29.06.2023)

[22] https://www.medienkorrespondenz.de/leitartikel/artikel/die-daemmerung-desnbspdualennbspsystems.html

(aktuell zuletzt am 30.06.2023)

[23] https://www.grimme-institut.de/fileadmin/Grimme_Nutzer_Dateien/Preis/Grafiken_und_Fotos/2020/Publikation/Grimme-Preis_Publikation-2020_web.pdf (aktuell zuletzt am 30.06.2023)

[24] https://de.wikipedia.org/wiki/Matth%C3%A4us-Effekt (aktuell zuletzt am 30.06.2023)

[25] https://de.wikipedia.org/wiki/Prinzipal-Agent-Theorie (aktuell zuletzt am 30.06.2023)

[26] https://www.medienpolitik.net/2020/04/strukturen-staerken-in-denen-qualitaetsjournalismus-entstehen-kann/ (aktuell zuletzt am 29.06.2023)

 

 

Gutachten Prof. Dr. Martin Eifert zur Direktbeauftragung von Produzent*innen aus MItteln des Rundfunkbeitrages

Gutachten Prof. Gersdorf

Medien- und Kommunikationsbericht der Bundesregierung 2018