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Interner Bereich, Filmwahl und mehr...
Interner Bereich, Filmwahl und mehr...
Die Deutsche Akademie für Fernsehen – kurz DAFF – wurde im Dezember 2010 gegründet mit dem Ziel, den Kreativen in den unterschiedlichen Gewerken von der Entwicklung bis hin zur Herstellung von deutschen Fernsehprogrammen eine eigene Stimme zu verleihen. Wir verzeichnen derzeit knapp 800 Mitglieder.
Die DEUTSCHE AKADEMIE FÜR FERNSEHEN soll in der öffentlichen Diskussion über die Medien und ihre Inhalte zu einer Stimme der Fernsehschaffenden werden und das Bewusstsein für die kreativen und künstlerischen Leistungen derjenigen, die die Fernsehprogramme gestalten, fördern und stärken.
Zweck laut Satzung der DEUTSCHEN AKADEMIE FÜR FERNSEHEN ist die Entwicklung des deutschen Fernsehens als wesentlichen Bestandteil der deutschen Kultur sowie der deutschen Kulturwirtschaft zu fördern und deren Vielfalt zu erhalten, das Gespräch und den Austausch von Ideen und Erfahrungen zwischen den deutschen Fernsehschaffenden insbesondere auch zwischen freiberuflichen und in Sendern festangestellten anzuregen, zu stärken und zu pflegen, den Diskurs zu inhaltlichen und wirtschaftlichen Aspekten des deutschen Fernsehens zu führen.
Dazu werden öffentliche Veranstaltungen zu kulturellen, politischen und wirtschaftlichen Themen im audiovisuellen Bereich organisiert, Weiterbildungsveranstaltungen für im audiovisuellen Bereich tätige Personen unter Leitung von Mitgliedern des Vereins oder externen Experten durchgeführt, und die Verleihung einer Fernsehauszeichnung, gegebenenfalls mit noch zu bestimmenden Partnern, vorbereitet und durchgeführt.
Die Akademie hat ihren Sitz in Berlin und München. Sie wird allen kreativen Fernsehschaffenden mit langjähriger Erfahrung und besonderer Leistung bei der Herstellung deutscher Fernsehwerke aus den Bereichen Fiction, Non-Fiction, Unterhaltung und Journalismus offen stehen.
Ab 2024 ist der normale Beitragssatz € 180, in Ausnahmefällen ist er reduziert.
Bitte beachten Sie unsere angepassten Mitgliedsbeiträge ab Januar 2024.
Diese entnehmen Sie der aktualisierten Beitragssatzung unter https://daff.tv/wp-content/uploads/2023/09/Beitragsanpassung_Anlage3_MVDAfF_2023_final.pdf
Bankverbindung:
Empfänger: Deutsche Akademie für Fernsehen e.V.
IBAN: DE09 3705 0299 0000372 343
SWIFT BIC: COKSDE33XXX
Sie erhalten eine E-Mail als Eingangsbestätigung.
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Matthias Bolliger
Produktion: PARA – Wir sind King | TNT Serie | W&B |
Sandra Köppe
Produktion: Unbroken | ZDFneo | Network Movie |
Carl Gierstorfer & Mareike Müller
Produkltion: Charité intensiv: Station 43 | RBB | Docdays Productions |
Ruth Toma
Produktion: Ruhe! Hier stirbt Lothar | ARD, WDR | Hager Moss |
Thilo Mischke & Anja Buwert
Produktion: ProSieben Spezial–Rechts. Deutsch. Radikal | Pro7 | PQPP2 |
Carolin Kebekus
Produktion: Die Carolin Kebekus Show| WDR | btf, Unterhaltungsflotte
Julia Karg & Kai Minierski
Produktion: Das Geheimnis des Totenwaldes | ARD Degeto, NDR | ConradFilm, Bavaria Fiction |
Min Sun Kim & Sarah Raible
Produktion: Goldjungs | WDR, ARD Degeto | Zeitsprung Pictures, G5 fiction |
Charlotte Chang & Katharina de Malotki
ProduktioN. Barbaren | Netflix | Gaumont |
Ralf Wienrich
Produktion: Spreewaldkrimi – Totentanz | ZDF | Aspekt Telefilm |
Franziska An der Gassen
Produktion: Kranke Geschäfte | ZDF, Arte | Ratpack, An der Gassen Film |
Antje Boehmert & Ute Beutler & Barbara Lohoff
Produktion: Charité intensiv: Station 43 | RBB | Docdays Productions |
Sven Bohse
Produktion: Das Geheimnis des Totenwaldes | ARD Degeto, NDR | ConradFilm, Bavaria Fiction |
Jens Harzer
Produktion: Ruhe! Hier stirbt Lothar | ARD, WDR | Hager Moss |
Waldemar Kobus
Produktion: Goldjungs | WDR, ARD Degeto | Zeitsprung Pictures, G5 fiction
Aylin Tezel
Produktion: Unbroken | ZDFneo | Network Movie |
Dalila Abdallah
Produktion: Herren | BR, Arte | kineo, Cinemanegro |
Wanja Götz & Lisa Maria Potthoff
Produktion: Sarah Kohr – Schutzbefohlen | ZDF | Die Film |
Benedikt Herforth & Astrid Poeschke
Produktion: Oktoberfest 1900 | ARD Degeto, BR, MDR, WDR | Zeitsprung Pictures, Violet Pictures, Amalia Film, Maya Production
Robert Keilbar & Kirsten Kunhardt & Matthias Lempert
Produktion: Louis van Beethoven | ARD Degeto, WDR, ORF | Eikon Media |
Patrick Busse & Rolf Mütze & Johanna Bischopink & Dirk Riesenfeld & Christian Laskawi
Produktio: Oktoberfest 1900 | ARD Degeto, BR, MDR, WDR | Zeitsprung, Violet Pictures, Amalia Film, Maya Production |
„Das Geheimnis des Totenwaldes“ erzählt die Geschichte eines Kriminalfalls, der fast 30 Jahre unaufgeklärt blieb.
Die präzise und überaus stilsichere Kameraarbeit von Michael Schreitel führt den Zuschauer gekonnt durch drei Jahrzehnte. Mit atmosphärisch dichten Bildern erzeugt er hohe Authentizität, Intensität und Spannung. Dabei ist er sehr nah an den Figuren.
Ohne voyeuristische Annäherungen und unnötige Effekte überzeugt Michael Schreitel durch herausragende Bildgestaltung im Dienste der Geschichte. Simple, pure and intense!
In der Serie „PARA – Wir sind King“ entfaltet die Kameraarbeit ein mitreißendes Bilderfeuerwerk, kompromisslos – faszinierend in Farbe, Geschwindigkeit und Moves, genau wie die Protagonistinnen und ihre Geschichte.
Dicht an den Figuren, immer die Erzählstruktur bedienend, schafft es Matthias Bolliger, mit seinen Bildern den Zuschauer auf die emotionale Achterbahnfahrt der Hauptfiguren mitzunehmen – und fühlen zu lassen, was sie erleben.
In diesem besonderen Film, der mehr liebenswerte Farce denn Krimi ist, der mit ganz wenig Handlung auskommt und von der puren Spielfreude seiner Schauspieler lebt, setzt auch der Kameramann auf eine bilddramaturgische Überhöhung.
Er entwirft dabei ein gelungenes Wechselspiel von zentralperspektivisch stilisierten Bildern und lakonisch beiläufig wirkenden Einstellungen. In der Grafik der Räume sind seine Figuren verloren, doch in den Seitenblicken auf sie, sind sie wieder ganz warmherzig eingefangen.
In der reduzierten Farbgebung, die scheinbar nur zwei Farben, braun und grün kennt, taucht der Zuschauer ab in eine geschlossene Welt der Apathie. Dennoch kommt keine Tristesse auf. Die grafisch gebauten Bilder, die die Szenen rahmen, bringen uns zurück zu dem Augenzwinkern des Schauspiels. Grafische Überhöhung wird hier als szenisches Mittel wunderbar eingesetzt. Ein Statement für das gebaute Bild.
Karimah El-Giamal ist neben dem Stammensemble eine bis in die kleinsten Rollen authentische Besetzung gelungen. Auch im Nachwuchsbereich besetzt sie einen guten Mix bekannter und unbekannter Gesichter. Hier glänzen Matti Schmidt-Schaller, Marlene Tanczik, Enno Trebs und Kjell Brutscheidt, sowie Luzia Oppermann, Karl Schaper und Ron Helbig. Und auch die Nebenrollen, besetzt mit Thomas Bading, Carina Wiese, Robert Mika und Mathis Li, haben überzeugende Auftritte.
Das wunderbare Zusammenspiel aller Darstellerinnen und Darsteller ist sicherlich auch der feinen und genauen Führung des Regisseurs Kai Wessel zu verdanken.
Es ist ein Genuss, allen DarstellerInnen zuzuschauen und in den geheimnisvollen Spreewald mit seinen Traditionen einzutauchen.
Die exzellente Besetzung von „Im Abgrund“ durch Ana Dávila und Anna Kowalski lässt wirklich nichts zu wünschen übrig. Tobias Moretti spielt den Mann, der zwanghaft Kinder lebend begräbt, erstaunlich sympathisch. Wenn Sartre meint, der Mensch sei zur Freiheit verurteilt – dieser Mörder hat die Freiheit, zu wählen und sich gegen Mord und Untat zu stellen, nicht.
Der LKA-Ermittler, Peter Kurth, tut sein Möglichstes, um weitere Lebend-Kind-Begrabungen zu verhindern. Dafür ist ihm jedes Mittel recht. Und der aufrechte Polizist Simon Schwarz, bemüht sich sehr, um auf den Pfaden des Grundgesetzes zu wandeln und – anständig zu bleiben. Florian Stettner hat hingegen als quartiergebender Pastor die Ruhe weg. Seine Aufgabe ist es, dem haftentlassenen Moretti eine zweite Chance zu geben und an das Gute im Menschen zu glauben.
Sehr berührend spielt Odine John die Mutter eines lebendig begrabenen Kindes.
In einem kurzen Auftritt bleibt Sybille Brechtel eindrücklich in Erinnerung, wenn sie die ungesetzliche Anordnung ausspricht, den Mörder Moretti, mit welchen Mitteln auch immer, zu überführen und hinter Gitter zu bringen.
Sandra Köppe ist mit dem Casting von „Unbroken“ und mit der Besetzung von Aylin Tezel die Quadratur des Kreises geglückt. Die hochschwangere Kommissarin Aylin Tezel, die unsicher ist, ob sie sich das Kind eigentlich wünscht, verschwindet kurz vor der Geburt und taucht blutverschmiert und verwirrt, ohne Babybauch nach einer Woche wieder auf. Alle rechnen mit dem Tod des Kindes, nur die Kommissarin selbst will es nicht wahrhaben und verstrickt sich in scheinbar immer größeren Gedankenspielen zum Verbleib ihres Kindes.
Das Herzstück der Serie ist eine sehr emotionale Hauptfigur, um die sich alles dreht. Die Serie ist bis in die Nebenrollen (André Jung, Leslie Malton, Sascha Nathan) vortrefflich besetzt. Sebastian Zimmler als braver Hausmann und vor allem Özgür Karadeniz als der freundliche, ausgeglichene Chef, sind wunderbare Gegenpole zur kämpferischen Kommissarin. Während das Umfeld schon bald wieder zur täglichen Routine zurückkehrt, scheint die Hauptfigur den Blick für die Realität gänzlich zu verlieren. Sie verdächtig jeden und alle und ihre scheinbare Paranoia macht sie für ihr Umfeld unglaubwürdig. So bleibt es bis zum Schluss spannend.
Ein ungewöhnlicher Titel bedingt noch keinen ungewöhnlichen Film.
Hier ist aber der Regisseurin Hannah Schweier mit „80.000 Schnitzel“ ein wirklich ungewöhnlicher, ein stiller, hochemotionaler Film über einen Mikrokosmos gelungen:
Einen Gasthof mit Landwirtschaft in einer gottverlassenen Gegend in der Oberpfalz. Vor allem aber ist es ein Film über die Menschen, die versuchen, den schwer verschuldeten Familienbetrieb zu retten.
Es sind dies, Monika, die jüngere Schwester der Filmemacherin, die sich nach dem Studium der Molekularbiologie und vielen Auslandsreisen entschlossen hat, all ihre Träume über Bord zu werfen und den Hof zu übernehmen; – und ihre durch jahrzehntelange harte Arbeit in Küche und Gastwirtschaft schon sehr erschöpfte Oma Berta.
Aber auch die Filmemacherin, die über den Zeitraum von vier Jahreszeiten den schweren Kampf ihrer Schwester um den Erhalt des Erbhofes filmisch verfolgt, wird zur Protagonistin. Mit Ihrem sehr persönlichen, selbst gesprochenen Kommentar, nimmt sie vorhergehende Situationen und Dialoge auf, erweitert sie um ihre Erinnerungen, ihre Träume und ihre eigenen Gefühle des Scheiterns.
Hannah Schweier und ihrer Kamerafrau (Stefanie Reinhard) sind mit sehr genauem Blick Bilder von teils ikonographischer Qualität geglückt, so als würden sie atmen.
Ihr Film „80.000 Schnitzel“ sticht heraus durch seine eigenwillige Kreativität und das Herzblut, mit dem er gemacht ist. Er erzählt mit Liebe und ironischer Distanz die berührende Geschichte einer Familie, die seit drei Generationen mit ihrem Erbe kämpft und nicht aufgibt.
Der Filmemacher Carl Gierstorfer und seine Co-Autorin Mareike Müller haben Anfang 2021 drei Monate lang den Alltag auf der Charité-Intensivstation 43 begleitet, der inmitten der Corona-Pandemie alles andere als alltäglich war.
Mit ihrer vierteiligen rbb-Doku-Reihe „Charité intensiv“ ist ihnen ein beeindruckendes Zeitdokument gelungen, das den Kampf des medizinischen Personals und der Patient:innen gegen das Coronavirus ohne falsche Dramatisierung und mit einem großen Respekt vor der Würde der porträtierten Menschen zeigt. Nah dran, aber ohne aufdringlich zu sein, ohne Off-Kommentar, aber durch die gekonnte Montage stets verständlich und inhaltlich nachvollziehbar, schaffen es die Filmemacher:innen, einen unverstellten, sachlichen und vielleicht gerade deshalb bewegenden Eindruck vom Hoffen, Bangen, Überleben und Sterben auf einer COVID-Station zu vermitteln.
Das Werk ist in seiner Unaufgeregtheit ein umso leidenschaftlicheres, unausgesprochenes Plädoyer dafür, die tückische Krankheit nicht zu verharmlosen, sondern ihr mit größtem Respekt zu begegnen. Gleichzeitig verbeugt man sich als Zuschauer:in vor der hohen Professionalität der Ärzt:innen und Pfleger:innen, die der Pandemie jeden Tag an erster Front mit Fachwissen, Ruhe und Empathie die Stirn bieten.
Der zweiteiligen Dokumentation „Krieg vor Gericht – Die Jugoslawien-Prozesse“ gelingt ein kleines Wunder. Sie schafft es, ein hochkomplexes Thema ebenso komplex zu beleuchten. Sie stellt die große Frage nach Gerechtigkeit und wird sie am Ende nicht beantworten.
14 Jahre führte der Internationale Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien in Den Haag einen Prozess gegen 161 Angeklagte. Es ging um Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Verstöße gegen die Genfer Konvention in Jugoslawien. Eine Sisyphusarbeit, wie in den zweimal 52 Minuten der Dokumentation deutlich wird. Eine Sisyphusarbeit auch für den Regisseur Lucio Mollica. Tonnen von Akten mussten durchforstet werden. Eine Auswahl aus zahlreichen zu interviewenden Protagonist:innen musste getroffen und unendlich viel Archivmaterial gesichtet werden. Herausgekommen ist eine Fülle an intensiven Interviews mit Zeuginnen und Tätern, Anklägerinnen und Ermittlern. Klug montiert mit Ausschnitten aus dem Gerichtssaal, in dem die Kriegsverbrecher Mladic, Karadzic und Milosevic auf Zeugen und Opfer trafen. Eindrücklich belegt mit bewegtem Archivmaterial, das die jugoslawischen Kriegsverbrechen dokumentiert. Und ähnlich wie bei den Dokumenten der Nürnberger Prozesse oder des Eichmann-Prozess erschrecken die Zuschauerinnen vor der von Hannah Arendt konstatierten „Banalität des Bösen“. „Krieg vor Gericht“ ist großes aufklärerisches Fernsehen, das sein Thema und sein Publikum ernst nimmt.
Stefan Kolditz für: „Das Geheimnis des Totenwaldes“
Der mächtige Chef der Hamburger Polizei ist im Fall der Entführung seiner Schwester im nahen Wesenburg auch nur ein ganz normaler Bürger. Die örtlichen Beamten lassen ihn spüren, dass er hier nichts zu melden hat. Aber Gehtke gibt nicht auf, auch nach Jahren nicht, auch nicht, als er pensioniert wird. Eine junge Wesenburger Beamtin glaubt an Gehtkes Instinkt, dass seine Schwester Opfer eines Serientäters geworden ist, dessen Jagdgebiet seit Jahrzehnten der Wesenburger „Totenwald“ ist. Sie ist am Ende seine einzige Verbündete.
Stefan Kolditz hat die auf Tatsachen beruhende Geschichte aus dem Genre Dokudrama herausgehoben und ihr eine epische Kraft gegeben, indem er zwei Menschen zeigt, die sich gegen das scheinbar Unvermeidliche stemmen. Er hat die Akteure zu seinen Figuren gemacht, ihre Komplexität betont, das Ambivalente, die Zweifel bei der Suche nach einem Serientäter herausgearbeitet und einen erzählerisch sehr validen Weg gefunden, William Faulkners Aphorismus zu unterstreichen: „Das Vergangene ist nicht tot, es ist nicht einmal vergangen.“
In zwanzig Jahren, wenn sich alle Menetekel über die Folgen der Erderwärmung grausam bewahrheitet haben werden, findet in Berlin ein Prozess statt, in dem aufgearbeitet wird, wie es soweit hat kommen können. Als prominente Zeugen sind die ehemaligen Bundeskanzler Gerhard Schröder und Angela Merkel geladen. Der Ankläger ist die gesamte dritte Welt, deren Länder die nun einsetzende Apokalypse auszubaden haben.
Andres Veiel und Jutta Doberstein liefern mit ihrem Gerichtsdrama die beklemmende Abrechnung mit einer politischen Kaste, die schlichtweg immer weniger im Stande zu sein scheint, das Notwendige zu erkennen und entsprechend zu handeln. Ihr Gerichtsdrama zeigt, dass alle Fakten bekannt waren, wie viele Chancen ungenutzt blieben, wie sich die Eliten hinter Partikularinteressen verschanzten und wie eklatant das Versagen der verantwortlichen Akteure war, oder besser, aktuell ist. Ganz nebenbei gelingt ihnen dabei auch eine interessante Charakterstudie der „elder stateswoman“ Angela Merkel, die noch einmal zu global politischer Höchstform auflaufen darf.
Ein glücklicher, oder man sollte besser sagen, selbstzufriedener Eigenbrötler in den besten Jahren bekommt die erschütternde Diagnose, dass ihm nur noch wenige Wochen bleiben. So methodisch wie er alle persönlichen Beziehungen in seinem Leben hat verdorren lassen, bereitet er jetzt seinen Abgang vor, indem er vor allem sicherstellt, dass niemand in seinem Umfeld bekommt, was er oder sie von ihm erwartet hat. – Und dann spielt ihm das Schicksal einen Streich, der ihn zu einem radikalen Perspektivwechsel zwingt.
Ruth Toma malt in sachten, leise ironischen Pastelltönen das Charakterbild eines stillen aber gnadenlosen Hedonisten, der die zweifelhafte Chance bekommt, alles, worauf er seine egozentrische Existenz aufgebaut hat, zu hinterfragen. Man ahnt es schon, der Mann steht sehr bald vor den rauchenden Ruinen eines Lebens, das nur oberflächlich gesehen als gelungen bezeichnet werden kann. Es ist der großen erzählerischen Kunst von Ruth Toma zu verdanken, dass dieser Film entscheidende Fragen stellt und dabei nie seinen bestechenden Stil und den spielerisch eleganten und etwas melancholischen Grundton verliert.
Rechts. Deutsch. Radikal – eine beeindruckende Dokumentation über neue Nazis und die, die es werden wollen. Erschreckend, dass es in Deutschland eine solche Szene überhaupt gibt. Der Journalist Thilo Mischke schafft es, die Zuschauer:innen mit unglaublich viel Fingerspitzengefühl mit in die Welt der „Nazis“ zu nehmen. Thilo Mischke ist mitten drin, setzt sich gefährlichen Situationen aus, spricht mit Anhängern der Szene. Sein Interviewstil: sehr offen, er lockt seine Gesprächspartner aus der Reserve. Seine eigene Meinung zum Thema gibt er öffentlich preis.
Anderthalb Jahre Recherche – und wir finden: Recherchearbeit der Extraklasse!
Selten werden Lebensbereiche junger Menschen so nah und spannend dokumentiert wie in dieser dreiteiligen Reportage-Reihe. Die Zuschauer erleben Szenen, die sonst eher im Verborgenen stattfinden und doch an die Welt der Hauptstadtbewohner andocken: Illegale Rave-Partys in Zeiten von Corona, fragwürdige Mietgeschäfte oder ein zwielichtiges Rapper-Milieu. Dabei gelingt es den FilmemacherInnen, nicht nur von außen draufzuschauen, sondern sehr tief in diese Milieus einzutauchen. Sie schaffen ein Miterleben, ein Mitgefühl und einen Nervenkitzel beim Zuschauer, aber trotzdem mit der nötigen journalistischen Distanz und einer klaren Haltung. Zwar ist hier die Berliner Großstadt die Bühne, gleichwohl sind das genau die Themen, die junge Menschen in jeder anderen Stadt ansprechen und von denen man viel zu wenig im deutschen Fernsehen sieht. Die ProtagonistInnen, die Reporterin und der Reporter im On, die Sprache, die Kamera, der Schnitt und die Musik schaffen in ihrer Komposition von der ersten bis zur letzten Minute ein tolles, junges Format, von dem man unbedingt mehr sehen möchte.
Erstmals ist es einer TV-Reportage gelungen, die Verstrickungen am Beispiel „Wirecard“ transparent zu machen. Das Narrativ führt trittsicher durch den Dschungel aus kriminellen Schiebereien und macht ein undurchsichtiges Finanzdesaster anschaulich, das wie ein Kartenhaus zusammenbrach. Als zweite Ebene wird das Psychogramm der Täter offengelegt. Die Interviewgeber und Protagonisten reden Klartext und analysieren ein Desaster in der bundesdeutschen Börsen- und Finanzkontrolle. Nicht vergessen wird dabei die korrupte Wirtschaftsprüfung.
Was Politik und Behörden nicht vermochten, visualisieren Volker Wasmuth und Patrick Zeilhofer: Der Durchblick entsetzt nicht nur den TV-Zuseher, sondern erschüttert auch Anleger und Sparer, Börsianer und Finanzbeamte. Die Kamera bleibt unaufgeregt – und der Erzählduktus erinnert an die Unerbittlichkeit eines Countdowns. Recherche und Darbietung der Fakten, Stringenz und optische Umsetzung oder auch der Einsatz von soundscapes: Sie unterstützen einen journalistischen Masterplan, der in knapp 60 Minuten die größte Finanzkatastrophe der Republik seziert. Spannend und informativ, wie kaum eine vergleichbare Reportage. Allerdings entlässt diese Arbeit ihr Publikum aufgewühlt und verärgert – und dennoch dankbar für die Regieanweisungen und Handlungsoptionen, die diese Reportage den verantwortlichen Organen sozusagen auf dem silbernen Fernsehtablett präsentiert.
Carolin Kebekus hat ihr Format gefunden – und spielt es begeistert aus, vor allem wenn sie angriffslustig besondere Themen angeht: Kein Rock am Ring? Eben! So gut wie keine Frauen im Musikbusiness! Da haut sie der männerdominierten Musikindustrie ein paar fiese Fragen und harsche Beurteilungen um die Ohren – und es macht ihr und den Zuschauern Spaß.
Stets gut recherchiert und faktenreich blättert sie einen Problemzustand kurz und knackig auf und findet dafür immer den passenden Ton: Ironie, Sarkasmus, Satire – kann sie alles und wählt die Mittel klug. Herrlicher Blödsinn hat auch feste Plätze in der Show, wie zum Beispiel die Sketches von „Rebecca und Larissa“ – oder ist das vielleicht doch eher Bildungsfernsehen?
Die Schlagzahl in dieser Show ist hoch. Der müssen sich auch die Gäste auf dem Sofa anpassen. Es sei denn, Carolin Kebekus will ihnen die Zeit lassen, ihr Anliegen zu erklären. Dann kann sie auch langsam, zugewandt und aufmerksam sein.
Lachen oder doch besser nicht lachen? Das Konzept hinter LOL ist so simpel wie gemein. Der Einzige der lachen darf, ist der Zuschauer. Komikerinnen und Komiker sind mehrere Stunden gemeinsam in einem Studio eingesperrt und dürfen nicht lachen. Wer beim Lachen erwischt wird, fliegt raus.
Die Zeiten von Corona waren die allerbesten, um diese Show herauszubringen. Denn in LOL: Last One Laughing geht es darum, etwas mal nicht machen zu dürfen, was ein Grundbedürfnis ist. Lachen über Schräges, Komisches, Irres. Ein Format also, das absolut den Zeitgeist trifft. Auch wenn das Format selbst eine Adaption ist – Otto Steiner hat es hervorragend für den deutschen Markt angepasst und aus einem großen Reservoire von Comedians in Deutschland eine wunderbare Auswahl getroffen.
Mit dieser treffsicheren Umsetzung hat Otto Steiner ein herrlich komisch-spannendes Unterhaltungsformat kreiert, das den Zuschauern in den eingeschränkten Corona-Zeiten viel Anlass zu herzlichem Lachen geboten hat. Also eigentlich eine tolle Medizin.
Die trauen sich wirklich was! Vor allem die Protagonistinnen und Protagonisten dieser beiden Shows, die Zuschauer dazu auffordern, nicht nur regelmäßig zur Vorsorgeuntersuchung zu gehen, sondern bei einem positiven Befund auch den Kampf gegen den Krebs aufzunehmen.
Auch die Produzentinnen trauen sich was: sie fordern Ihren Protagonistinnen und Protagonisten ehrliche Gespräche über ihre Erfahrungen und den Umgang mit der Krebs-Erkrankung ab – und am Ende sogar, vor (aus vertrauten Personen bestehendem) Publikum und den Kameras die Spuren zu entblößen, die Operationen an ihren Körpern hinterlassen haben.
Zwei über zwei Stunden lange Shows begleiten die Protagonistinnen aufmerksam und sensibel, lassen ihnen bis zuletzt die Entscheidung offen, ob sie wirklich auf der Bühne „alles“ zeigen wollen. Diskrete Kameras begleiten die Gespräche der Betroffenen und dokumentieren gleichzeitig, wie wichtig der Austausch untereinander ist.
Daraus eine „Show“ zu machen ist riskant, aber in diesem Fall gelungen.
„Das Geheimnis des Totenwaldes“ erzählt in dreimal 90 Minuten eine Kriminalgeschichte, die einen Zeitraum von ca. 30 Jahren überspannt. Eine große Aufgabe für die Schnittgestaltung. Die Geschichte will spannend, interessant und, wie es der Titel sagt, geheimnisvoll erzählt werden.
Mit einer bestechenden Präzision, mit konsequentem Rhythmus, mit die Zuschauenden nie im Stich lassenden Perspektivwechseln, mit einer nie nachlassenden Übersicht über die Handlungsstränge werden wir zu jeder Zeit emotional und erzählerisch in der Geschichte gehalten. Die erzählten Fragezeichen sind immer anregend, lassen uns aber nicht allein. Immer wieder holt die Montage der Einzelschicksale uns ab und zieht uns mitten hinein ins Geschehen. Die Mystik des Waldes, die scheinbar nicht in die Erzählung gehörenden Elemente, lassen uns über 270 Minuten ahnen, dass da am Ende noch etwas Großes auf uns wartet, für das es sich lohnt, der äußerst filmischen Erzählung zu folgen.
Die Gewichtung der Erzählebenen ist in allen Dimensionen gelungen, wie es im deutschen Fernsehen selten zu sehen ist. Dies ist ein bemerkenswertes Zusammenspiel aller Gewerke, aber besonders die Montage, der Schnitt geben diesem Werk die bestechende Dramaturgie, die perfekt dosierte Spannung und löst das Versprechen des Geheimnisses aus dem Titel ein.
Im „Polizeiruf 110: An der Saale hellem Strande“ haben die beiden Kommissare, grandios gespielt von Peter Kurth und Peter Schneider, nicht viele Anhaltspunkte oder Spuren, und so kommt es, dass sie Handyauswertungen zu Hilfe nehmen und alle Passanten des Tatorts befragen müssen. Diese kleinen Tragödien und Komödien des Alltags werden mit Hilfe von raffinierten Rückblenden erzählt.
Man kommt allen Protagonist:innen sehr nahe. Man meint nach einiger Zeit, sie zu kennen – und das liegt vor allem an der Montage von Julia Kovalenko, die ihnen auf die Pelle rückt. Nie aufdringlich, nie plakativ, sondern immer perfekt im Timing entstehen Miniatur-Porträts, die diese Geschichte so spannend machen. Denn eigentlich passiert nicht viel, aber das Gesagte, die vielen Erlebnissen dieser Menschen, die sich natürlich überschneiden, sind wunderbar montiert und in Zusammenhang gesetzt.
Das Spiel mit Raum und Zeit, in dem kein Schnitt zu viel aber jedes Bild ein Genuss ist – das ist es, was diesen Polizeiruf so eigensinnig und besonders macht.
Zwei Paare und vier Teenager leben auf einer idyllischen Insel in der Flensburger Förde. In der ersten Folge fällt einer der Jugendlichen bei einem Segeltörn über Bord und wird nicht mehr gefunden. – Ein Familienthriller, der erst langsam, dann immer intensiver, Spannung aufbaut und das behauptete Paradies klassisch zerlegt.
Eva Schnare und Janina Gerkens überzeugten uns mit ihrem sehr kreativen und mutigen Schnitt bei dieser achtteiligen Serie. Ein Puzzle aus Tausenden von emotionalen Bildern. Sie spielen das Geschehen immer wieder neu, in jeder Folge aus der Sicht eines anderen Protagonisten, durch und vermitteln so in jeder wiederholten Szene einen neuen Blickwinkel auf die Tragödie.
Durch mutige und gekonnte Schnitte, werden uns die Emotionen der Protagonisten mit allen möglichen Kunstformen der Montage nahe gebracht, so dass man am Ende immer wieder überrascht ist, was diese Geschichte noch in sich trägt.
Eine künstlerische Meisterleistung der beiden Filmeditorinnen Eva Schnare und Janina Gerkens, die diese Herkulesaufgabe mit außergewöhnlicher Kreativität und einem phantastischen Gefühl für dramaturgischen Rhythmus gelöst haben.
Maria Schicker ist es mit dem Kostümbild für „Das Geheimnis des Totenwaldes“ gelungen, die Besonderheiten der Charaktere durch drei Jahrzehnte in aussergewöhnlicher Prägnanz darzustellen.
Für jede Epoche hat sie Kostüme stimmig eingesetzt, ohne dass diese sich in den Vordergrund spielen. Vielmehr ordnet gerade das Kostümbild die verschiedenen Lebensphasen der jeweiligen Protagonisten auf gezielte Art und Weise ein.
Die Entwicklung und Stimmungen der Figuren unterstreichen Maria Schicker und ihr Team sensibel durch Formen und Farben.
Das Kostümbild ist leise und überzeugend in seiner Unaufdringlichkeit.
Wir gratulieren zu dieser Leistung!
Min Sun Kim, Sarah Raible und ihrem Team ist es in „Goldjungs“, einer köstlichen Satire in Bonbon-Farben gelungen, das Kostümbild modern und frech zu gestalten.
Dem Spiel der Darsteller angemessen, dürfen Anzüge und Perücken auch mal nicht sitzen, wenn nur der Porsche dazu passt! Jeder Charakter ist in Farbe und Schnitt seiner zweiten Haut treffend skizziert bis überzogen, wird aber nie denunziert.
Die Enge eines Kostüms führt zu einer ängstlichen Haltung, seine Weite zur Schnoddrigkeit und Überheblichkeit der Figuren. Man darf sich über die historische Genauigkeit, gepaart mit irritierenden, legeren Brüchen genau derselben, köstlich amüsieren.
Min Sun Kim und Sarah Raible gelingt mit dieser mutigen Mixtur eine starke Handschrift. Kostüm-, Masken- und Szenenbild sind bei „Goldjungs“ eng miteinander verwoben und ein mitentscheidender Teil des Gesamtwerkes.
Gratulation!
Sabine Keller ist es gelungen, mit viel Phantasie und Sinn für Details die Parallelwelt der „Mopes“ zu gestalten. Aber trotz der Uniformität der dargestellten Mensch-gewordenen Erkrankungen gibt es feine Unterschiede im individuellen Kostüm. Im Zusammenspiel mit dem Szenenbild wurde eine sehr besondere, sehr spezielle Welt gestaltet.
Demgegenüber sind die Kostüme für die reale Berliner Welt authentisch und unterstützen die Charaktere, ohne sie zu überzeichnen. Durch die homogene Farbwahl ist das Kostümbild stimmig und drängt sich nicht in den Vordergrund.
Sabine Keller ist die Trennung dieser beiden Schauplätze großartig gelungen. Damit unterstützt sie die Geschichte maßgeblich.
Gratulation!
Die erzählte Geschichte umfasst einen Zeitraum von drei Jahrzehnten – so altert der komplette Hauptcast, was für das Masken-Team eine außergewöhnliche Herausforderung darstellte.
Inspiriert von zeitgenössischen Magazinen und Büchern, aber auch nach zahlreichen Maskentests ist es Jeanette Latzelsberger und Gregor Eckstein gelungen, ein echtes Abbild der jeweiligen Epoche und der Figuren zu kreieren. Dazu ist es ihnen gelungen, realistisch aussehende Altersmasken zu modellieren, die sowohl die Mimik authentisch transportieren können und gleichzeitig die Schauspielerinnen und Schauspieler nicht in ihrem Spiel beeinträchtigen.
Es ist ein herausragendes Maskenbild, realistisch und sehr fein umgesetzt, mit perfekten Alterungen. Eine Erzählung, transportiert durch das Maskenbild, das mehr ist als eine bloße Veränderung von Haar und Gesicht, die zeigt, wie vielfältig und anders Schauspielerinnen und Schauspieler in einem realistischen Film aussehen können!
Ihr habt einen eigenen großartig phantasievollen Beitrag für die Filmerzählung geleistet!
Die Verwirklichung der Figuren im historischen Kontext ist perfekt auf unser modern blickendes Auge abgestimmt. Die Darstellung der geschichtlichen Epoche mit modernen Elementen wirkt nicht aufgesetzt, sondern fügt sich absolut gekonnt ins Gesamtwerk. Man kommt nicht umhin, sich angenehm an „Amadeus“ erinnert zu fühlen, weiterentwickelt in die 2020er Jahre.
Dieser Louis van Beethoven wird uns in seiner Erscheinung in eindrücklicher Erinnerung bleiben.
Diese Produktion stellt aus maskenbildnerischer Sicht eine ganz besondere Herausforderung dar: Römisch-europäische Antike, verschiedene Stämme und Ethnien und dazu ein subtiles Standard-Make-up im Hintergrund, das eine geforderte Netflix-Ästhetik bedient.
Diese Quadratur des Kreises ist den beiden Maskenbildnerinnen Charlotte Chang und Katharina de Malotki mit ihrem Team auf beeindruckende Art und Weise gelungen! Sie liefern absolut starke Charakterarbeit ab, wobei sie als Gestaltungsmittel unter Anderem hervorragende Bärte eingesetzt haben.
Ihre Arbeit lässt uns regelrecht Schweiß und Blut riechen.
Die atmosphärisch dichte Filmmusik von Thomas Mehlhorn zeichnet sich besonders durch die voranschreitende Entwicklung seines Hauptmotivs aus, das sich elegant an die genrespezifische Ästhetik dieses Mystery-Dramas anlehnt. Wie der gesamte Soundtrack wird es im Verlauf des Films durch ausgezeichnete Instrumentierung und Variation bis zur Auflösung geführt.
Die dramaturgisch hervorragend gestalteten musikalischen Bögen, gelungene Arrangements und eindringlichen Kompositionen verleihen dem Film eine große, erweiterte Spannungsebene.
In der Serie „Tod von Freunden“, in der es um die tragischen Erlebnisse zweier befreundeter Familien geht, gelingt es dem Komponisten-Team Stefan Mertin & Mirko Michalzik, diese Tragik und ihre Folgen für die Protagonisten mit einer sparsamen Instrumentierung und geschmackvollen, unaufdringlichen Klangbildern zu vertonen, die gänzlich auf Effekthascherei verzichten. Das Hauptaugenmerk liegt dabei auf der Gefühlslage der Protagonisten, ihre Verzweiflung, ihr „Sich-im-Kreis-Drehen“, die scheinbare Ausweglosigkeit der Situation. Dabei bedienen sich die Komponisten verschiedener rhythmischer Patterns oder ostinater melodischer Figuren, die durch ihre Gleichförmigkeit die Gefühlslagen perfekt beschreiben und durch undefinierte Endungen der einzelnen Musikparts der Ausweglosigkeit auch musikalisch keine Lösungen anbieten wollen.
Damit unterstützen sie die ungewöhnliche Erzählweise dieses Mehrteilers hervorragend.
Mit seinem sehr ausgefeilt komponierten und orchestrierten Score zu „Spreewaldkrimi – Totentanz“ versteht es Ralf Wienrich, Elemente zeitgenössischer Musik stilsicher und farbenreich in seine Tonsprache einzubinden.
Dabei ist seine Musik nie effekthascherisch, sondern im Dienst der Szene und nah an der Dramaturgie.
Subtilität und kraftvolle Wirkung verbinden sich hier zu einem faszinierenden Kaleidoskop an filmmusikalischer Finesse.
Konnten in den letzten Jahren und Jahrzehnten Fernsehproduktionen mit Themen vor allem aus der Zeit des Nationalsozialismus oder der Staatssicherheit erfolgreich national und international punkten, so überrascht in 2020/2021 eine aus Deutschland heraus produzierte und im Teutoburger Wald spielende „Action-Serie“ mit einem riesigen internationalen Zuschauer-Erfolg.
Der Stoff und das Thema lagen schon lange auf den Tischen. Versucht daran haben sich Manche, ohne einen geeigneten Ansatz in der richtigen produktionellen Größenordnung zu finden. Dazu gehören in einem sich neu ordnenden Fernsehmarkt vor allem kreative Ideen und enormer produzentischer Mut. Diesen Mut und diese Ideen haben die Produzent:innen Sabine de Mardt, Andreas Bareiss und Rainer Marquass entwickelt und erarbeitet.
Ja, „Barbaren“ möchte nicht genauestens die Historie wiedergeben, der Plot ist zugespitzt, aber ganz klar auf die erwartete Zielgruppe zugeschnitten. Es ist durchaus ein produzentisches Wagnis, mit einer uralten Schlacht im Teutoburger Wald ein junges Streamer-Publikum, das mit aller Wahrscheinlichkeit nie von diesem Ereignis gehört hat, begeistern zu wollen.
Den Produzent:innen Sabine de Mardt, Andreas Bareiss und Rainer Marquass ist es gelungen, exzellente Kreative in allen Gewerken zusammenzuführen und mit einer klaren kommerziellen Ausrichtung eine weltweit auf internationalem Qualitätsniveau außerordentlich erfolgreiche Serie zu produzieren.
Produzentinnen und Produzenten initiieren (meistens) die Idee, sind gemeinsam mit den Redaktionen wichtige „Sparringpartner“ in der Entwicklung, stellen die Kreativen vor und hinter der Kamera zusammen und sind verantwortlich, dass Letztere mit den Mitteln ausgestattet werden, die die Produktion braucht. Wenn – wie in diesem fulminanten Mehrteiler – im Ergebnis einfach alles stimmt, ist das die Leistung von Marc Conrad, Jan Kaiser und Maren Knieling.
Das glänzende Drehbuch (Stefan Kolditz) und eine durchwegs stimmige Regie (Sven Bohse) erzählen in epischer Tiefe eine „Chronik eines Versagens“ und ziehen den Zuschauer von der ersten bis zur letzten Minute in den Bann. Mutig werden die Begebenheiten um die Göhrde-Morde von 1989 in Niedersachsen fiktionalisiert und unter anderem in einen Kontext mit dem tragischen Ende des Auftragsmörders Werner Pinzner gebracht. Denn den Machern geht es offensichtlich nicht um das reine Nacherzählen von Fakten. Der Mehrteiler hat ein Thema: Die Machtlosigkeit des Rechtsstaates und seiner Polizei im Umgang mit Schwerstverbrechern und die daraus entstehenden menschlichen Tragödien.
In jedem Gewerk ist dieses Stück Fernsehen hochwertig, gekonnt und auf dem Punkt mitreißend. Obwohl die rund viereinhalb Stunden viel von Trauer und Resignation handeln, endet das nicht in landesüblicher schlechter Laune. Die Protagonisten Matthias Brandt, Karoline Schuch, August Wittgenstein, Silke Bodenbender, Nicholas Ofczarek und auch der in kleineren Rollen großartige Cast packen den Zuschauer mit ihrer Darstellung am Herzen und beim Verstand.
Hinter dem TV-Allerweltstitel „Das Geheimnis des Totenwaldes“ verbirgt sich herausragende Fernsehfiktion und eine auszeichnungswürdige produzentische Leistung, die im Ergebnis auch international jedem Vergleich standhält.
Der Film „Kranke Geschäfte“ behandelt ein bisher fiktional nicht aufgearbeitetes Thema deutsch-deutscher Geschichte: Medikamententests westdeutscher Pharmaunternehmen an ahnungslosen ostdeutschen Bürgern.
Die Idee zur Umsetzung stammt von Franziska An der Gassen, die, inspiriert durch die Lektüre eines Zeitungsartikels, gemeinsam mit einem Team aus Journalisten, Fachberatern und Rechercheuren über 600 Dokumente und Akten zusammengetragen hat, bevor sie mit Autor Johannes Betz das Drehbuch entwickelt hat. Entstanden ist eine fiktionale Geschichte vor realem Hintergrund, die multi-perspektivisch und packend erzählt ist, ohne tendenziös zu wirken. Die besondere Leistung der Produzentin zeigt sich in diesem Polit-Drama, das nicht nur packend erzählt ist, sondern beeindruckend besetzt und durch das Zusammenspiel der ausgewählten kreativen Gewerke einen zeitgeschichtlichen Spielfilm von emotionaler Kraft, Bedeutung und Wucht entstehen lässt, der nachhallt.
Ganz nah beobachtend und ohne Kommentar erzählt „Charité Intensiv“ vom Kampf in einem Mikrokosmos, der keine Tageszeiten kennt, bestimmt von grellem Licht und piepsenden Maschinen.
Immer wieder müssen die erfahrenen Ärzte und Pflegenden das Unausweichliche akzeptieren und Menschen gehen lassen. Am Ende einer langen Schicht fühlt es sich oft an wie ein Aufgeben – und hinterlässt Spuren bei denen, die bleiben. Bereits die allererste Szene wirft seinen großen Schatten für die kommenden Folgen: Intensivmedizinerin Sarah Kamel sinniert über die Corona-Zeit: Über den Tod und das Sterben, mit dem sie alle auf der Station täglich konfrontiert sind. Das sei ihrer aller Job, klar. „Aber dass man das Gefühl hatte, man hat so viele sterbende Menschen gesehen innerhalb einer Woche wie manchmal in Monaten oder einem Jahr – das kann sich kein Mensch vorstellen.“
Diese vielen stillen Abschiede muss man aushalten können. Lange, bedrückende, anrührende Einstellungen. Kein schneller Schnitt bringt Erlösung. Diese Wucht der Verzweiflung macht ärgerlich, wütend, traurig – aber vor allem eines: Demütig. Antje Boehmert, Ute Beutler und Barbara Lohoff haben es möglich gemacht, dass diese vierteilige Serie ein millionenfaches Publikum erreicht hat.
Wir danken für dieses besondere Fernseherlebnis und gratulieren!
„Das Versprechen“ ist ein äußerst relevanter Film, der respektvoll und authentisch ein Thema angeht, das bisher in unserer Gesellschaft zu sehr vernachlässigt wurde: Die Auswirkungen psychischer Erkrankungen auf Kinder.
Der Film betrachtet Kinder, die selbst Störungen entwickelt haben, oder sie als Folgen des Zusammenlebens mit psychisch erkrankten Eltern erlitten haben. Es gelingt der Spagat, mit der notwendige Tiefe in das Thema einzudringen, ohne die Zuschauer zu überfordern – sondern sie dennoch zu unterhalten. Dass ein Film mit dieser Thematik in dieser Form zur Primetime gesendet und beachtet wird, ist vor allem dem jahrzehntelangen, unermüdlichen Einsatz von Pit Rampelt für menschlich schwierige, unbequeme, aber wichtige Themen zu verdanken. Die Nominierung ist daher auch unsere besondere Auszeichnung für Pit Rampelt – und alles von ihm bisher Erkämpfte im deutschen Fernsehen.
Herzliche Gratulation!
Schattenwelten Berlin ist eine mutige Reportage, exzellent recherchiert und – obwohl es für Nicht-Berliner teils völlig absurd wirkt – spürbar nah an der alltäglichen Lebenswirklichkeit. Ein gekonnter, mutiger Blick mit der Lupe auf unsere Gesellschaft, deren Entwicklung sich von Berlin aus ausbreitet, wenn dem nicht Widerstand geboten wird. Dazu lädt diese Reihe auf packende Art ein. Und geht uns damit alle an.
Dieser wertvollen Reihe und denen, die sie durchgesetzt haben, spricht die Nominierungs-Kommission ihren hohen Respekt aus und wünscht ihrer Arbeit große Aufmerksamkeit bei einem breiten Publikum.
Herzlichen Glückwunsch!
Intensiv, mit einer immensen Spannung von der ersten Sekunde an, nimmt der Regisseur den Zuschauer mit in die unaufgeklärte Geschichte eines wahren Verbrechens, die maßgeblich vom Versagen der Behörden geprägt ist. Mit Parallelmontagen auf drei Zeitebenen, einer dichten, atmosphärischen Bildsprache, wird die Ausweglosigkeit, die Sprachlosigkeit, der Stillstand einer jahrzehntelangen Spurensuche exzellent erzählt.
Brillant führt er das bis in die kleinste Rolle perfekt besetzte Ensemble durch die persönliche, nuancierte dreißigjährige Entwicklung der Figuren.
Einen guten Regisseur zeichnet vielleicht ein guter Film aus. Einem herausragenden Regisseur gelingt es zudem, das kongeniale Team an sich zu binden und meisterhaft die Fäden der Gewerke zusammen zu halten.
Eine Glanzleistung und wahrlich eine herausragende Regie-Leistung von Sven Bohse für „Das Geheimnis des Totenwaldes“.
Hermine Huntgeburths Arbeit besticht von der ersten Einstellung an mit einer Genauigkeit der Regieführung, die gleichermaßen hohe Professionalität wie wirkliche Liebe zu Stoff und Handlung ausdrückt. Hier ist im wahrsten Sinne des Wortes eine Spiel-Leiterin am Werk; denn das freieste Spiel beruht auf der besten Vorbereitung und den klarsten Regeln.
Und das Gefühl des ersten Augenblicks trügt nicht: Die ungeheure Präzision in der Wahl der Bilder, in der Führung der großartig Auf-Spielenden, im Wechsel von Tempo und Atmosphäre trägt dieses kleine Kunstwerk mit einer traumwandlerischen Sicherheit bis zum Schluss. Und dann möchte Mensch am liebsten mit dem Schauen gleich wieder von vorn beginnen.
Preiswürdig vom ersten bis zum letzten Moment!
Die N’Drangheta hat klare Regeln. Sie gelten für jeden und dulden keine Ausnahme. Was Pia Strietmann hier im 2. Teil des „Tatort: In der Familie“ macht, ist eine mutige und handwerklich brillante Umsetzung des letzten Teils einer nervenzehrenden Kriminalgeschichte. Sie kopiert nicht, zitiert nicht das, was die erste Folge von Regiemeister Dominik Graf an Fallhöhe vorgibt, sondern führt und dirigiert konsequent eine komplexe Geschichte mit ihrer eigenen Vision.
Da werden keine Effektmätzchen – inhaltlich wie formal – bemüht; da wird die Geschichte mit einer Klarheit bedient, wie die N’Drangheta nun einmal klare Regeln hat. „Form follows function“. Da stimmen die Handlungsstränge, die Spannungsbögen und da stimmt ganz besonders die Schauspielführung zwischen den erfahrenen Tatort-Haudegen und dem jungen und zwangsläufig weniger erfahrenen Cast, allen voran Emma Preisendanz, deren starke Präsenz Pia Strietmann souverän handhabt. Der Cast wurde übernommen, aber das ist schon alles. Sie hat ihre eigene Crew, ihre eigene Visualität und ganz offensichtlich ein großes Talent zu deren glaubhafter Umsetzung.
Chapeau!
Im Universum seiner Schauspielkunst erreicht Matthias Brandt in „Das Geheimnis des Totenwaldes“ eine neue Dimension. Das Schicksal des Hamburger LKA-Chefs Thomas Bethge über drei Jahrzehnte mit einer Mischung aus unerbittlicher, zäher Beharrlichkeit und zwischen Ohnmacht, Bangen und Hoffen schauspielerisch glaubhaft zu verkörpern, erschüttert uns. Es treibt uns Tränen in die Augen.
Matthias Brandt vergießt sie nur einmal – am Totenbett seiner Mutter, die ihm schlicht die Aufgabe auferlegt hatte: „Barbara lebt, du musst sie nur finden.“ Dabei sehen wir zunächst einen immer loyalen Beamten im Dienst. Wie Matthias Brandt dabei die Gefühlslage eines Menschen darstellt, der von Verzweiflung, inneren Vorwürfen und Schuldgefühlen fast erdrückt und durch aufkeimende Zweifel am System förmlich ausgehöhlt wird, ist einfach atemberaubend genau gespielt. Der Alterungsprozess, welcher eben nicht nur mit Hilfe einer ausgezeichneten Maske von dem Schauspieler für uns spürbar wird, und der diesen grausamen Marathon einer Suche nach den Überresten seiner Schwester begleitet, wird mit feinster Präzision von ihm gezeichnet. Der Schmerz im gealterten Gesicht eines Beamten, der immer nur ein guter Ermittler sein wollte in einem System, dessen herausgehobener Repräsentant er ist, und das gleichzeitig versagt, zerreißt nicht nur beinahe diesen LKA-Chef, sondern auch uns beim Zuschauen.
Es ist ein Mysterium, wie der Schauspieler das fertig bringt. Es ist kein Schau-Spiel mehr, das zur Schau stellt – es ist wahrhaftiges Sein!
Zu Beginn dieser Laudatio möchten wir eine Frage stellen: „Wer kann Eros Flügel verleihen?“
Die Antwort lautet in diesem Fall: Michael Alexander Grimm. Und wie gelingt ihm das?
Es ist eine Wonne, diesem Schauspieler dabei zuzuschauen, wie er von einem von Schicksalsschlägen wie Arbeitslosigkeit und Herzinfarkt gebeutelten Familienvater zum stolzen Tango-Tänzer wird. Dabei vollzieht er diese Metamorphose mit jeder Handbewegung, nicht nur beim Tango, sondern auch im Alltag, wenn er beispielsweise seinen Mantel mit Eleganz und Verve auf den Garderobenhaken befördert. So erklimmt er mit jedem kleinen Schritt auf dem Parkett eine nächste Stufe seiner Schauspielkunst.
Da sitzt jeder Blick mit zielsicherer, glaubwürdiger Kraft, sowohl in den Momenten der totalen Schwäche, als auch beim Face-to-Face mit den TanzpartnerInnen. Man muss diesen Charakter lieben. Ohne falsche Gefühligkeit dürfen wir lächelnd erleben, wie wichtig es im Leben eines Menschen sein kann, seinem Herzen zu folgen. Falls wir uns selber unbeholfen oder schwach vor dem Anschauen des Films „Tanze Tango mit mir“ gefühlt haben sollten – dieser Schauspieler entlässt uns nach dem Film mit dem Gefühl, dass wir ebenfalls stolz mit erhobenem Haupt und voller Liebe durch den Tanzsaal des Lebens gehen möchten.
Jens Harzer überrascht mit seiner schauspielerischen Leistung als trocken-pedantischer und ein wenig weltfremder Fliesenhändler Lothar Kellermann in jeder Szene des Films „Ruhe! Hier stirbt Lothar“. Wie er spielt, dass die Alltagsroutine der Figur, die sich fast ausschließlich zwischen einem eigenartigen ‚Fliesenspleen‘ und seinem Hund Bosco abspielt, durchbrochen wird von der plötzlichen Diagnose eines Hautkrebses im Endstadium, ist brillant.
Jens Harzer lässt uns mit jedem Wort, jeder Geste und jedem Blick das Unglaubliche glaubhaft erleben. Dabei zeigt er völlig uneitel auch die wahrlich unsympathischen Seiten dieses Charakters. Es ist atemberaubend, wie wir als Zuschauer erleben dürfen, mit welch lakonischer Abgeklärtheit ein Mensch mit seinem Todesurteil umgeht.
Mit einer stoisch ruhigen Haltung gegenüber seinem angekündigten Sterben, auf das er sich im Hospiz pragmatisch vorbereitet, hakt er dieses Schicksal lakonisch ab – kaum von sichtbarem Schmerz begleitet. Nur einmal sehen wir, wie Lothar Kellermann im Zimmer des Hospiz‘ – seiner vermeintlichen Endstation – kurz zusammenbricht.
Es ist vor allem die Kunst des Unterdrückens von Gefühlen, die Jens Harzer beherrscht, um so Emotionen jenseits aller Klischees beim Zuschauer zu wecken. Faszinierend ist, dass er uns dabei wie ein skurriler, tragischer Clown immer wieder ein Lächeln ins Gesicht zaubert.
Waldemar Kobus eröffnet mit seiner enormen Spielfreude und doppelbödigen, vielschichtigen Interpretation des Iwan D. Herstatt Tür und Tor zu einer Figur, die ungläubig und immer staunender ihre eigenen Abgründe entdeckt und dabei beinahe spielerisch und ganz unbeirrt Zeuge einer verblüffenden Entwicklung wird: der bis dahin größten Bankenpleite Deutschlands.
Waldemar Kobus gelingt es, dass man sich ihm gebannt anschließt und ebenfalls mit großer Freude Zeuge dieser immer offenbarer werdenden Abgründe wird.
In jeder Sekunde dieses Films nimmt Marc Ben Puch den Zuschauer mit auf eine Reise durch die von Hoffnung und zugleich von Verzweiflung geprägte Gefühlswelt eines Familienvaters, der den vorerst vergeblichen doch spürbar tiefen Wunsch hegt, es möge sich alles wieder einrenken. Den inneren, anrührenden Kampf zwischen Haltung wahren zu wollen und einer verzweifelten Erschöpfung stellt Ben Puch mit einer außergewöhnlich sensiblen, Transparenz dar.
Egal was Willi Hoffmann unternimmt und in welch peinliche Schwierigkeiten seine Unternehmungen die Menschen um ihn herum bringen – man liebt ihn dafür, verzeiht ihm.
Ernst Stötzner zaubert die Figur des Willi Hoffmann mit solch bestechender, entwaffnender Poesie, die mit seinem Facettenreichtum die Zuschauer immer wieder überrascht! Er schafft es mit großer Ernsthaftigkeit und zugleich beeindruckender Leichtigkeit die tragisch komischen Aspekte einer Demenz zu zeigen.
Glaubhaft stellt er diese dar und macht den Zuschauern das Universum des Willi Hoffmann mit einem feinen Humor und einer Tiefgründigkeit erkennbar, erfahrbar!
Janina Fautz berührt in jeder Einstellung. In ihrer Mimik spürt man zu jedem Zeitpunkt ihre Unbefangenheit, ihren Mut, ihre Neugierde und ihre Offenheit. Die jugendliche Euphorie der Bewegung wird durch ihre Figur getragen, und entsprechend mitreißend spielt sie die frech-frische Verkörperung des Prinzips Hoffnung, der man mit unglaublicher Sympathie begegnet.
Friederike Becht spielt den seelischen Ausnahmezustand einer Frau mit einer authentischen Wucht, der man sich nicht entziehen kann. Jede Sekunde lässt sie uns teilhaben an der inneren Zerrissenheit und getriebenen Haltlosigkeit ihrer Figur. Dabei führt sie uns tiefer und tiefer in eine Gedankenwelt und emotionale Abgründe, in der sich Realität und Traumwelt ineinander verschieben. Sie weiß, dass sie ein Verbrechen begeht, das Leben eines Kindes und das einer anderen Mutter zerstört und sieht sich selbst wie ferngesteuert beim verbotenen Handeln zu – vollkommen überzeugt, das einzig Richtige zu tun.
Friederike Becht beherrscht die Klaviatur dieser mentalen und emotionalen Verwirrung, die sie Schicht für Schicht aufbaut, mit einer Präzision, die einen sprachlos zurücklässt. Mit jedem Blick, jeder Geste, in jeder Sekunde gelingt ihr der Spagat zwischen Traumwelt und Realität.
Aylin Tezel spielt in „Unbroken“ eine leidenschaftliche Fighterin, die sich nicht kleinkriegen lässt und trotz aller Eskapaden ihrer Figur auch Empathie und Beschützerinstinkte weckt. Das Wechselbad der Gefühle, welches sie durchlebt, wird von ihr absolut überzeugend dargestellt. Aylin Tezel überzeugt durch ihr kompromissloses wie gleichermaßen sensibles Spiel in all ihrer Zerrissenheit und Widersprüchlichkeit. Angstfrei porträtiert sie eine Tour de Force und schafft es, die extremsten und dunkelsten Winkel von Alex‘ Charakter auszuleuchten, ohne dabei die emotionale Gefühlslage der jungen Mutter zu vernachlässigen.
Dalila Abdallah verkörpert die aufrichtige, selbstbewusste Ehefrau und Mutter Martha im Film „Herren“. Mit Klarheit und Selbstverständlichkeit führt sie uns durch ein Potpourri von Emotionen, die in keinem Augenblick aufgesetzt wirken.
Man schaut ihr gebannt zu, auch wenn im Vordergrund wieder einer der HERREN spricht. Mit großer Durchlässigkeit kämpft Dalila als Martha mit voller Wucht für ihr erarbeitetes Glück, nimmt uns mit bis in ihr lachendes Herz, berührt uns zutiefst und lässt in stillen Momenten gekonnt unseren Atem stocken, vor Mitgefühl.
Durch die starke Präsenz von Dalila Abdallah, fern von dem uns optisch vertrauten Frauenbild im deutschen Fernsehen, lässt sie uns fühlen, dass ihre Sorgen im Familiären die gleichen sind wie die in anderen Familien. „Herren“ ist mit einem Verhältnis Mann/Frau von 11 zu 3 ein klar männerdominierter Film. Dennoch nimmt Dalila darin nachhaltig Raum ein.
Eine starke Schauspielerin in ihrer ersten Filmrolle, auf der Bühne bereits preisgekrönt, kommt für uns wie aus dem Nichts. Und bleibt uns in der sich nun endlich divers entwickelnden deutschen Fernsehlandschaft gewiss erhalten.
Claudia Michelsen zeigt in „Ku’damm 63“ wieder mit viel Humor und Spielfreude die Verletzlichkeit, Einsamkeit und Verlorenheit einer alleinerziehenden Mutter und Frau in einer Welt, die aus den Fugen zu geraten scheint.
Caterina Schöllack, eine Frau, die in einer Zeit des Umbruchs versucht, mit Disziplin und Strategie standzuhalten, die mit Hingabe, Strenge, zeitweise mit berechnendem, kalten Handeln kämpft und dabei nur das Beste will für ihre Töchter. Egal, wie überdramatisiert das wirkt, man-frau ist ihr nie böse und nimmt sie stets ernst.
Das Spiel von Claudia Michelsen ist in jedem Augenblick glaubhaft, nachvollziehbar und sie überrascht in ihren Szenen immer wieder aufs Neue. Sie porträtiert Frau Schöllack mit viel Feingefühl, lauten und leisen Tönen und zeigt die Vielschichtigkeit des menschlichen Seins mit den Licht- und Schattenseiten. Manchmal ist es, so ganz nebenbei, im Blick und den Augen zu sehen und manchmal in einer scheinbar unwichtigen Geste, wie intensiv es ihr gelingt, die Gefühle und die Tiefe der Figur Catarina Schöllack sichtbar machen.
Für alle ZuschauerInnen ist es eine Freude, ihr zuzuschauen, mit ihr zu fiebern und zu fühlen.
In „Tribes of Europa“ sticht eine Figur gleich zu Beginn durch ihre Grausamkeit hervor. Lord Varvara ist die Inkarnation des Bösen! Als Zuschauer:in ist man fasziniert und abgestoßen zugleich von so viel Kälte und Unbarmherzigkeit. Im Laufe der Staffel schafft es Melika Foroutan jedoch, ihrer Rolle Lord Varvara immer mehr Facetten und Tiefe zu geben. Sie ist immer mehr zerrissen zwischen dem Kampf einer Frau um Macht und Anerkennung in einer von Männern dominierten Welt – und einer unerfüllten Sehnsucht nach echter Liebe und Gerechtigkeit. Zu Beginn das personifizierte Böse, ist man sich am Ende der Staffel nicht mehr sicher, welche Rolle Lord Varvara einnehmen und zu welcher Wendung sie beitragen wird.
Eine spannende Entwicklung, grandios gespielt von Melika Foroutan!
Ein postapokalyptisches Europa mit verfeindeten archaischen Stammesgruppen. Schon in der ersten Folge der Serie „Tribes of Europa“ konnte das nominierte Stunt-Team aus dem Vollen schöpfen und hat aus einem wilden Waffenmix eine ideen- und abwechslungsreiche Choreografie entwickelt. Entstanden ist beispielsweise eine intensive und spannungsgeladene Szene, aus der sich die Handlung der Serie entwickelt. In den weiteren Folgen haben Michael Bornhütter & Alister Mazzotti & Markus Haas Schießereien, Schlägereien, Pferdestunts und eine besonders abstoßende Strangulierungsszene umgesetzt, welche die mitleidslose und unbarmherzige Gesinnung der Täter offenbart.
Die gut choreographierten und intensiven Kampf- und Stuntsequenzen in „Tribes of Europa“ überzeugen auf den Punkt. Die Nominierungskommission präzisiert: Sehr gute Choreografie, gut auf die Action vorbereitete Schauspieler, überzeugend spielende Stuntleute und dynamische Kameraeinstellungen! „Tribes of Europa“ sei ein Weckruf für die deutsche Filmbranche, auch mal über den Vorabend-Tellerrand zu schauen, schrieb die Süddeutsche Zeitung. Das trifft auch auf die Menge der Stunts und die Gestaltungsspielräume für die Stunts zu.
Gleich zu Beginn der Story bringen Stunts Spannung in den Film. Eine Familie, unter Polizeischutz stehend, entgeht nur knapp einem Sprengstoffattentat. Danach werden sie beschossen und der Zuschauer weiß nicht, ob sie lebend davon kommen werden. Stunt-Koordinator Wanja Götz unterstützt mit der Anlage und Ausführung der Stunts die Spannung in hervorragender Weise. Mit Sarah Kohr kommt die Rettung. Schleudernd kommt sie mit ihrer Limousine der Familie zu Hilfe. Später konfrontiert und verfolgt Sarah Kohr den Täter. Dabei glaubt man ihr die dramatische Fußverfolgungsjagd durch ein Parkhaus und die spannende und gut choreographierte Kampfsequenz. Ihre Bewegungen wirken kraftvoll und geben ihrem Willen, den Täter zur Strecke zu bringen, Ausdruck.
Eine (wieder) sehr gelungenes Zusammenspiel zwischen der Schauspielerin Lisa Maria Potthoff unter der Leitung von Stunt-Koordinator Wanja Götz.
Manchmal ändert ein Augenblick oder ein Stunt das ganze Leben.
Der Hauptprotagonist Vernau sieht sich in der sechste Folge der „Joachim-Vernau-Reihe“ Tätern ausgesetzt, die skrupellos genug sind, auch über seine Leiche zu gehen. Eine für ihn wirklich aussichtslose Verfolgungsjagd endet deshalb mit einem alles entscheidenden Paukenschlag. Vernaus übermächtiger Verfolger auf dem Motorrad wird, Sekunden bevor er Vernau vermutlich töten wird, von einem LKW übersehen und regelrecht weggerotzt.
René Lay fuhr den Wagen im richtigen Zeitpunkt vor das Motorrad (Fahrer: Benjamin Nippe). Da sich beide Fahrzeuge in Bewegung befanden, war das richtige Timing entscheidend. Durch die Koordination von Ronnie Paul, der die Fahrzeuge richtig platzierte und im richtigen Timing starten ließ, funktionierte der Stunt reibungslos und ist ein gutes Beispiel für Teamwork und Sicherheit im Bereich Stunt.
Die Nominierungskommission ehrt heute deshalb das Team, Benjamin Nippe, René Lay und Ronnie Paul.
Das Szenenbild von Olga Gredig ist minimalistisch auf den Punkt gebracht. Es erlaubt den Betrachter:innen, sich sofort in die Atmosphäre und den Stil des Jahres 1968 einzufühlen. Damit gelingt es Olga Gredig, diese spannungs- und konfliktreiche Zeit so darzustellen, dass man sehen kann, welche Widersprüche damals aufeinander trafen.
Einfach ein großartiges Szenenbild!
Für eine Satire ein stimmiges Szenenbild zu erschaffen, ist eine herausfordernde Aufgabe. Darf es ein bisschen mehr sein?!
Julian Augustin gestaltet diese Gratwanderung mit viel Witz und Liebe zum Detail. Es bringt Spaß, seine Räume zu entdecken und deren Ironie. Zum Beispiel die Ankunft der Protagonisten vor ihrer Bank in vier farblich aufeinander abgestimmten Sportwagen. Auch die unterschiedlichen Welten – die des Kleinbürgertums im Gegensatz zu den „Neuen Reichen“ – wurden stilsicher und pointiert umgesetzt.
Dieses Szenenbild unterstützt die haarsträubende Geschichte wunderbar und ist so ein Teil des Gesamttenors geworden. Es tritt nicht dezent in den Hintergrund, denn das soll es hier auch gar nicht.
Wir finden diese Arbeit wirklich sehr gelungen!
Es lebt, es atmet, es knirscht, es riecht. Und das in jedem Bild, in jeder Einstellung.
Benedikt Herforth und Astrid Poeschke haben es geschafft, das Szenenbild für „Oktoberfest 1900“ für uns erlebbar zu machen. Man glaubt, was man sieht. Man nimmt die kleinen Übertreibungen, die hier und da etwas schwülstig und dick aufgetragenen Dekors ab. So muss es sein. Auch und gerade, um diese Geschichte, diese Figuren zu tragen.
Wunderbar verzahnt mit der Bildgestaltung und dem Licht werden wir unweigerlich in diese Zeit, diese Orte, diese Räume einer schon lange vergangenen Oktoberfestzeit hineingezogen.
Ein wunderbares Szenenbild, wie wir finden.
Die Serie „Das letzte Wort“ besticht durch den hervorragenden Originalton von Patrick Veigel, aus dem Tina Laschke und Dominik Schleier ein originelles, pointiertes Sounddesign und Benjamin A. Rosenkind eine einfühlsame Mischung geschaffen haben, die in besonderem Maße zu der überragenden Qualität dieser Serie beigetragen haben.
Jan Cziharz (Sounddesign), Philipp Bitter (Mischung) und Patrick Veigel (Original-Ton) schaffen es mit pointierter und stilsicherer Tongestaltung, dem Zuschauer das Gefühl für eine futuristische Welt zu geben, die gleichzeitig vertraut und fremd wirkt.
Von Anfang an werden auf der auditiven Ebene geschickt Fährten gelegt, die zielgerichtet im Verlauf der Geschichte aufgelöst werden. Durch die hervorragende Tonaufnahme des Settonmeisters, im Zusammenspiel mit Dialogschnitt und Mischung, führen die Dialoge als zentraler Anker den Zuschauer durch die Geschichte. Die detaillierte Mischung von Philipp Bitter erfreut mit Dynamik, die in den fein gestalteten Atmosphären von Jan Cziharz aber ausgefeilte Hallräume und laute Kanten zulässt.
Das Spiel mit harten Kontrasten im Tonschnitt auf der einen Seite – und auch die wohl austarierte Verschmelzung von Musik und Sound Design auf der anderen Seite erschaffen eine Tonspur, die in Verbindung mit dem Bild eine dritte Erzähl-Ebene ergibt.
Die Wichtigkeit der „Hörebene“ bei der film-biographischen Erzählung des Lebens von „Louis van Beethoven“ kann man nicht hoch genug einschätzen. Das Schicksal eines musikalischen Genies, das sein wichtigstes empirisches Mittel seiner Wahrnehmung verliert, muss tongestalterisch erzählt werden. Die akustische Welt, die Beethoven umgab und ihn zu dem Musikgenie seiner Generation formte, wurde realistisch und glaubhaft hörbar gemacht. Zeitgemäße Werkinterpretationen auf historischen Instrumenten wurden genau recherchiert und „wiedererstellt“.
Diese speziellen Herausforderungen meisterte das Tonteam von „Louis van Beethoven“ um Robert Keilbar (Set-Tonmeister), Kirsten Kunhardt (Sounddesign) & schlussendlich Matthias Lempert (Mischung) mit hohem Anspruch an jedes Detail und einem präzisen Sinn für die richtige Ausgewogenheit.
Ihre tongestalterische Arbeit ist daher für das Jahr 2021 besonders hervorzuheben.
Historische Stoffe auf die Leinwand zu bringen ist für jedes Gewerk beim Film eine besondere Herausforderung. Dem VFX Team unter Leitung von Annabelle Troukens und Kay Delventhal gelingt es, mit einem großen Arsenal an technischen und künstlerischen Handgriffen aus blühenden Feldern ein monumentales, barbarisches und überzeugendes Schlachtfeld zu erschaffen. Um das zu erreichen, mussten neben einer Handvoll realer Schauspieler unzählige am Computer generierter Soldaten kunstvoll in Szene gesetzt werden. Gleichzeitig half das VFX-Team dabei, die selbe Location im Vorfeld zu einem von 6.000 Soldaten bevölkerten Römer-Lager umzugestalten und mit Hilfe digitaler Setbauten zu erweitern.
Durch ihre visuelle Arbeit ist es den Machern der VFX von „Barbaren“ mit Bravour gelungen, die Geschichte der historischen Schlacht im Teutoburger Wald gekonnt zu unterstützen. Die VFX drängen sich nie ungewollt auf, vielmehr unterstützen sie das Ziel, dem Zuschauer die damalige Zeit noch authentischer und glaubwürdiger zu vermitteln.
Historische Stoffe auf die Leinwand zu bringen ist für jedes Gewerk beim Film eine besondere Herausforderung. Dem VFX Team unter Leitung von Patrick Busse und Rolf Mütze gelingt es überaus überzeugend, das historische Oktoberfest mit einem großen Arsenal an technischen und künstlerischen Handgriffen in Szene zu setzen. Um das zu erreichen, mussten unter anderem hunderte von computergenerierten Bier-Zelten gebaut werden. Diese digitale Zeltstadt wurde mit dem realen Live-Action-Set aus Prag zu einer Einheit verschmolzen. Weiterhin sehen wir tausende digitaler Statisten, die an digitalen Kirmes-Ständen vorbeischlendern, wir fahren mit ihnen auf den Karussells oder trinken virtuelles Bier in den digitalen Festzelten.
Diese Herausforderung haben die Macher mit großer Sorgfalt gemeistert, um für die Zuschauer eine atmosphärisch dichte Serie mit beeindruckenden Bildern zu erschaffen.
Dominik Trimborn und David Laubsch gelingt es mit ihrem VFX Team, in „Wir Kinder vom Bahnhof Zoo“ das Berlin der 80iger Jahre authentisch visuell zusammenzusetzen. Viele einzeln gedrehte und digitale Bildelemente mussten sie dazu mit Aufnahmen des ehemaligen West-Berlin zu zahlreichen erzählerisch funktionierenden und lebhaften Sets am Computer verschmelzen.
Eine enorm große Zahl von detaillierten, nicht sichtbaren VFX-Bearbeitungen fügen sie zu der dichten erzählerischen Atmosphäre der Serie zusammen und unterstützen damit diese ganz besondere Geschichte.
Für die Trips ins Drogenuniversum haben sie eine eigene visuelle Handschrift geschaffen, mit der es ihnen gelingt, diese mit all ihren dazugehörigen Elementen gekonnt facettenreich in Szene zu setzen.